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Autor: Schooyans, Michel

Buch: Ethik, Leben, Bevölkerung

Titel: Ethik, Leben, Bevölkerung

Stichwort: [122] Ist eine wirksame Verhütung nicht das beste Mittel gegen die Abtreibung?

Kurzinhalt: Die totale Wirksamkeit im Verbund mit der totalen Unwissenheit, in der man sie hält, zeigt ihre totale Entfremdung: Sie ist nur noch das Objekt eines vorgegebenen, erbarmungslosen chemischen Prozesses.

Textausschnitt: a) Die Befürworter der Abtreibung haben die öffentliche Meinung mit der Vorstellung eingelullt, mit der Verhütung werde der Abtreibung vorgebeugt. Doch die Verhütungsgewohnheit verursacht eine Abtreibungsmentalität: Versagt die Pille, greift man leicht zur nachträglichen Abtreibung (EV 13). (Fs)

Das ist bekannt und auch verständlich. Die Verhütungsmentalität trennt in den menschlichen Sexualbeziehungen das einigende Ziel (d.h. das Glück des Paares) vom Ziel der Fortpflanzung, also der Weitergabe des Lebens. Die Folge ist einerseits, daß die körperliche Vereinigung nur noch als anzustrebendes Gut und zugleich (in Form der Fortpflanzung) als unbedingt zu vermeidende Gefahr oder gar als ein zu bannendes Übel angesehen wird (s.a. 70, 123). (Fs)

Dennoch wird die völlige Trennung der sexuellen Vereinigung von der Fruchtbarkeit, die Verhütung also, als größter Sieg der Frau auf ihrer Suche nach Befreiung gepriesen (vgl. 19). Man sollte sich jedoch im klaren sein, daß die Empfängnisverhütung nur insoweit interessant ist, als sie total sicher ist. In der Verhütungsmentalität muß die Trennung also so wirksam und sicher wie nur möglich geschehen. Daraus ergeben sich zwei Konsequenzen: Die Verantwortlichkeit für das Sexualverhalten und seine Konsequenzen - die Weitergabe des Lebens - wird an die Technik delegiert (s.a. 120); versagt diese, greift man zu einer anderen Technik: der nachträglichen Abtreibung. (Fs)

b) Viel schwerer wiegt jedoch, daß Verhütung und Abtreibung inzwischen mehr und mehr in einen Topf geworfen werden. Viele der heute angebotenen Pillen haben drei verschiedene Wirkungen:

- erstens eine verhütende Wirkung: Es findet keine Befruchtung statt. (Fs)

- zweitens eine Sperrwirkung: Die »verhütende« Substanz modifiziert die Zusammensetzung der Schleimhaut und versperrt damit dem Sperma den Weg in Uterus und Eileiter, wo es auf die Eizelle trifft. (Fs)

- drittens eine die Einnistung verhindernde Wirkung: Die Folge ist eine Frühabtreibung. (Fs)
Die beiden ersten Wirkungen sind präventiver Natur; sie verhindern die Empfängnis eines Wesens. Die dritte ist nachträglicher Natur; sie vernichtet ein gezeugtes Wesen. Aus offenkundigen physiologischen Gründen tritt jedoch nur eine dieser Wirkungen ein, entweder eine der beiden vorbeugenden oder die nachträgliche. Entweder fand keine Empfängnis statt (vorbeugende Wirkung), oder sie hat stattgefunden, aber die Einnistung wird verhindert (nachträgliche Wirkung). Was jeweils eintritt, entzieht sich der Kenntnis der Beteiligten. (Fs)

Die moralische Folge ist, daß die Frau nie weiß, woran sie ist, und folglich aller moralischer Verantwortung sowohl gegenüber dem möglicherweise gezeugten Kind als auch gegenüber ihrem Partner entkleidet wird. Die totale Wirksamkeit im Verbund mit der totalen Unwissenheit, in der man sie hält, zeigt ihre totale Entfremdung: Sie ist nur noch das Objekt eines vorgegebenen, erbarmungslosen chemischen Prozesses. (Fs)

c) Es ist folglich völlig unlogisch, zu behaupten, man sei für die Verhütung und gegen die Abtreibung, denn viele als Verhütungsmittel deklarierte Substanzen wirken - wenn die verhütende Wirkung versagt hat - auch abtreibend. Darum ist der Geißel der Abtreibung nur beizukommen, wenn man die künstliche Empfängnisverhütung aufgibt und zu den natürlichen Methoden greift, die eine verantwortliche Elternschaft begünstigen. (Fs)

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