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Autor: Brandmüller, Walter

Buch: Licht und Schatten

Titel: Licht und Schatten

Stichwort: Vaikanum 2 - Kontext der Konziliengeschichte; Konzil, Definition;

Kurzinhalt: ... Sie ist vielmehr im geoffenbarten und überlieferten Glaubensgut der Kirche enthalten und wird von den Bischöfen als authentischen Zeugen der heiligen Überlieferung bezeugt

Textausschnitt: 177a "Von jetzt an sind Allgemeine Konzilien überflüssig!" Dieser von dem berühmten protestantischen Berliner Kirchenrechtshistoriker Paul Hinschius kolportierte Satz entsprach wohl der Meinung nicht weniger, nachdem das 1. Vatikanische Konzil am 18. Juli 1870 die Dogmen von der obersten Hirtengewalt und der lehramtlichen Unfehlbarkeit des Papstes verkündet hatte. Wie unbegründet diese Auffassung aber war, zeigt nicht zuletzt der Umstand, daß der Codex Juris Canonici, der nach Abschluß des Konzils in Angriff genommen wurde und vieles von den Vorarbeiten für das Konzil - das ja wegen des Deutsch-französischen Krieges hatte abgebrochen werden müssen - verarbeitete, daß also der 1918 in Kraft gesetzte CJC acht Canones enthält, die die Rechtsstellung des Allgemeinen Konzils im Leben der Kirche bestimmten und seine Durchführung regelten. Das verwundert nicht, denn seit die Kirche Jesu Christi besteht, hat es in dieser oder jener Form auch immer Konzilien gegeben. Daß dies auch nach der Definition der päpstlichen Vollmachten auf dem 1. Vatikanum so bleiben würde, war den daran Beteiligten so klar wie es uns heute ist. So ergibt sich ganz zwanglos unser Thema, demzufolge wir das 2. Vatikanum der Jahre 1962 - 1966 ebenso im Vergleich wie im Zusammenhang mit den vorausgegangenen Allgemeinen Konzilien darzustellen versuchen. (Fs)
Was ist ein Konzil?

177b Klären wir aber zunächst die Begriffe und fragen, was denn ein Allgemeines oder auch Ökumenisches Konzil sei. Das ist zwar in wenigen dürren Worten gesagt, damit aber noch keineswegs einsichtig gemacht. Konzil also ist die Zusammenkunft von Trägern der kirchlichen Lehr- und Hirtengewalt zwecks gemeinschaftlicher Ausübung dieser Lehr- und Hirtengewalt. Sind zu dieser Versammlung Teilnehmer aus der gesamten Weltkirche geladen und handeln sie unter dem Vorsitz des Papstes bzw. seiner Vertreter, dann nennt man diese Versammlung ein Allgemeines oder Ökumenisches Konzil, wobei "ökumenisch" hier im Unterschied zu unserem modernen Gebrauch dieses Begriffes sich auf die Herkunft der Konzilsteilnehmer aus der Ökumene, d. i. der gesamten bewohnten Welt, bezieht. (Fs) (notabene)

178a "Concilium episcoporum est" - ein Konzil ist Sache von Bischöfen. So heißt ein Grundsatz, den schon das Konzil von Chalkedon des Jahres 451 als unbezweifelte Selbstverständlichkeit formuliert hatte. (Fs)

Die Ausübung von Lehr- und Hirtengewalt innerhalb der Kirche ist nämlich unauflöslich, wenn auch in differenzierter Weise, an die Weihe gebunden. Das heißt, daß an einem solchen kollegialen Entscheidungsprozeß nur jener "iure proprio", auf Grund eigenständigen Rechtes, teilhaben kann, der durch Empfang der Bischofsweihe und kanonische Übertragung der Hirtengewalt Mitglied des bischöflichen Kollegiums geworden ist. Seit dem hohen Mittelalter werden dazu auch noch höhere Ordensobere eingeladen, die zwar nicht Bischöfe sind, wohl aber über ihren Orden quasibischöfliche Jurisdiktion innehaben, die ihnen durch den Papst übertragen wird. (Fs)

Diese bischöfliche Weihe, die dem Empfänger die Fülle des Weihesakramentes vermittelt, verleiht zugleich der Seele des Geweihten ein unzerstörbares Gepräge, das ihn in seinem Personsein Christus als dem eigentlichen Hirten, Lehrer und Priester gleichförmig macht. In dieser übernatürlich-ontologischen "configuratio cum Christo" wurzelt dann auch die Teilhabe am Lehr- und Hirtenamt Jesu Christi. In eben dieser sakramental begründeten Teilhabe besteht darum auch die eigentliche Grundlage für die vollberechtigte Teilnahme und Mitwirkung an einem Konzil. Weil nun ein Konzil aus Teilnehmern besteht, die in einer so gearteten sakramentalen Verbindung mit dem erhöhten Christus stehen, trifft auch auf ein Konzil die Verheißung des Herrn zu, der zu seinen Aposteln sagte: "Wer euch hört, der hört mich, und wer euch verachtet, der verachtet mich, und wer mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat."

179 Daraus ergibt sich alsdann die Autorität und letztgültige Verbindlichkeit von Konzilsdekreten, die die Glaubens- und Sittenlehre der Kirche zu definieren den Anspruch erheben. Schon sehr früh, spätestens um 400, berief man sich dafür auf das 15. Kapitel der Apostelgeschichte, wo von der Jerusalemer Apostelversammlung, dem sogenannten Apostelkonzil, berichtet wird. Deren Beschlüsse werden aber mit der Formel eingeleitet: "Es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen - edOkei -, d. h. der Heilige Geist und wir haben beschlossen ..." Es entspricht also der ältesten Überzeugung der Kirche, daß ein kollegialer Akt der Träger ihres Lehr- und Hirtenamtes seine Verbindlichkeit und Autorität der Mitwirkung des Heiligen Geistes verdankt. Definitive Lehräußerungen eines Konzils sind darum Ausdruck der lehramtlichen Unfehlbarkeit, d. h. der Irrtumslosigkeit der Kirche in Sachen der Lehre, weshalb sie die Gläubigen im Gewissen binden. (Fs)

Wir sehen also, daß ein Konzil auf Grund seiner Struktur von einem demokratisch verstandenen Kirchenparlament um Lichtjahre entfernt ist, wenngleich gewisse äußere Ähnlichkeiten in der Weise des Vorgehens etwas anderes suggerieren könnten. So etwa wird auf einem Konzil zwar abgestimmt, aber die Lehre wird keineswegs durch Mehrheitsbeschluß geschaffen. Sie ist vielmehr im geoffenbarten und überlieferten Glaubensgut der Kirche enthalten und wird von den Bischöfen als authentischen Zeugen der heiligen Überlieferung bezeugt und von ihnen als Richtern gegebenenfalls gegenüber dem Irrtum abgegrenzt. Darin besteht der Sinn einer konziliaren Abstimmung, die, wie gesagt, von einer demokratischen Mehrheitsentscheidung wesentlich verschieden ist. Es versteht sich von selbst, daß eben darin auch der fundamentale Unterschied zwischen einem Konzil oder, was dasselbe ist, einer Synode der katholischen Kirche und dem, was man im Bereich der Reformation Synode nennt, begründet ist. Eine lutherische oder eine reformierte Synode ist in der Tat ein Organ demokratischer Meinungsbildung und Entscheidungsfindung. Davon kann innerhalb der katholischen und auch der orthodoxen Kirche keine Rede sein. (Fs) (notabene) (notabene)

Ein Allgemeines Konzil, auch Allgemeine Synode genannt, ist demnach das Organ für die gemeinschaftliche Ausübung des Lehr-und Hirtenamtes der Kirche durch die unter der Leitung des Papstes versammelten Mitglieder des bischöflichen Kollegiums. Von einer Regional- bzw. Provinzialsynode spricht man dann, wenn sich zu gleichem Zwecke die Bischöfe einer Region oder einer Kirchenprovinz versammeln. Eine solche Synode bzw. ein solches Partikular- oder Teilkonzil übt dann die kirchliche Lehr- und Hirtengewalt über jene bestimmte Region oder Provinz aus, deren Bischöfe sich versammelt haben. (Fs)

180a "Concilium episcoporum est!" Das bedeutet auch, daß eine Diözesansynode nur in ganz uneigentlichem Sinn Synode genannt werden kann, da auf ihr nur ein einziger mit eigener und ordentlicher Hirtengewalt ausgestatteter Bischof anwesend und tätig ist. Weihbischöfe haben keine eigenständige Hirtengewalt, können also mit dem Ortsbischof zusammen kein eigentliches Konzil, keine Synode bilden. Auch wenn, wie z.B. im Bistum Münster, fünf Weihbischöfe tätig sind. Der einzige, der auf einer Diözesansynode das Lehr- und Hirtenamt ausübt, ist der Oberhirte der Diözese. Er allein verantwortet dann auch die Dekrete, die er nach Anhörung -keinesfalls aber auf Beschluß - der Synodalen erläßt. Soviel also zur Klärung der Begriffe. (Fs)

Nun freilich könnte jemand sagen, hier sei doch eher eine vom Lichte vieler Öllämpchen in mystischen Glanz getauchte Heiligenikone gemalt, nicht aber ein realistisches Historiengemälde von der Institution "Konzil" entworfen worden. Bietet, so kann man fragen, die Konziliengeschichte nicht vielmehr eine Fülle von Informationen über allzu Menschliches, über Machtkämpfe, Intrigen, Eitelkeiten, ja Äußerungen von Aggressivität etc. auf Konzilien? Hat nicht jener recht, der im Blick auf das 1. Vatikanum einmal gesagt hat, dieses Konzil habe drei Phasen durchlaufen: Erstens die Phase der Menschen, zweitens die des Teufels und schließlich die des Heiligen Geistes?

180b Zweifellos ist daran viel Wahres. Und das ist auch nicht verwunderlich, wenn man nicht außer acht läßt, daß sich göttliche Wahrheit und Gnade in der Kirche niemals "chemisch rein", sondern immer nur im irdischen Pilgerkleid, das nicht selten staubbedeckt und da und dort auch löcherig ist, darstellen. Diese Erfahrung tut aber der - freilich nur im Glauben erfaßbaren - Tatsache nicht Abbruch, daß ein Allgemeines Konzil, wenn immer es diesen Namen verdient und diesen Anspruch erhebt, in der Tat im Namen Christi und in seiner Vollmacht die Kirche leitet und lehrt. (Fs)

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