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Autor: Brandmüller, Walter

Buch: Licht und Schatten

Titel: Licht und Schatten

Stichwort: Konzil von Trient; ökumenisches Konzil?, Leibniz;

Kurzinhalt: Das einzige Glied des bischöflichen Kollegiums, das durch kein anderes ersetzt werden kann, ist dessen Haupt, der Papst. Seine Mitwirkung ersetzt jeden fehlenden Bischof.

Textausschnitt: 125b Ganz unabhängig von der inhaltlichen Qualität konziliarer Lehrdekrete stellt sich indes die Frage nach Art und Grad und Umfang ihrer Verbindlichkeit. Voraussetzung für allgemeine und unwiderrufliche Geltung ist die Okumenizität des Konzils, das sie erlassen hat. Hierbei fällt der Blick sogleich auf die Anwesenheit der Ökumene, der Weltkirche, auf dem Konzil. Es war Gottfried Wilhelm Leibniz, der knapp 250 Jahre danach in seinem bekannten Briefwechsel mit dem großen französischen Bischof und Prediger Jacques-Benigne Bossuet die Ökumenizität des Tridentinums radikal in Frage gestellt hat. Eine Handvoll Papstfanatiker habe die Gunst der Stunde, da die Nationen des Nordens, die Griechen, die Orientalen abwesend waren, genutzt, um ihre ausgefallenen Ideen zu Glaubenssätzen zu machen. Dazu sei der spanische König fest in den Händen seiner mönchischen Umgebung und Frankreich von einer Italienerin beherrscht gewesen, während die Italiener in Trient diktiert hätten. Selbst Frankreich habe sich ihnen nicht auf Dauer widersetzen können. (Fs)

126a Um das Konzil zu einem ökumenischen zu machen, sei jedoch Anwesenheit und Mitarbeit einer großen Zahl von Konzilsvätern aus verschiedenen Nationen erfordert, wovon in Trient keine Rede sein könne. Also sei Trient kein Ökumenisches Konzil und entbehre deshalb jener Verbindlichkeit, die einem solchen zukomme. Leibniz hätte noch hinzufugen können, daß ein ganzer Erdteil, nämlich Amerika, auf dem Konzil fehlte, obgleich dort seit einem halben Jahrhundert nicht wenige Bistümer bestanden. (Fs)

Nun ist natürlich zuzugeben, daß die physische Repräsentanz der Weltkirche zu Trient eher gering war. Das Konzil war in Anwesenheit von nur 29 Kardinalen und Bischöfen eröffnet worden, und die Gesamtzahl der Teilnehmer bischöflichen Ranges an der ersten Sitzungsperiode erreichte nicht einmal das erste Hundert. Und selbst diese wenigen waren nicht durchwegs anwesend. Indes kamen sie aus allen katholisch gebliebenen Nationen Europas, nur die Schweiz, Polen und Ungarn fehlten, und aus Deutschland war nur der Mainzer Weihbischof Heiding erschienen. Unbestreitbar ist, daß - aus naheliegenden Gründen - die Italiener in der Überzahl waren. (Fs)

Dies änderte sich in der 2. Sitzungsperiode nicht wesentlich: Zu ihrer Eröffnungssitzung waren nur 15 Mitraträger erschienen, die zudem ausnahmslos dem Machtbereich Karls V. zugehörten. Die Ankunft von Gesandten protestantischer Stände - es waren Sachsen, Brandenburg, Württemberg und Straßburg - änderte daran nichts. Erst die letzte Phase des Konzils zählte mehr als 200 stimmberechtigte Väter, es waren 236. Auch davon waren die meisten Italiener. (Fs)

127a Das von Leibniz zugrunde gelegte Kriterium für die Ökumenizität des Tridentinums war indes nicht adäquat: Leibniz geht hier von den Verhältnissen aus, unter denen das Konzil von Konstanz stattgefunden hatte: Zur Zeit der damals - bis zur Wahl Martins V. - herrschenden Sedisvakanz war in der Tat die faktische, physische Repräsentation der Gesamtkirche jenes Element, das in der damaligen Situation allein die Ökumenizität des Konzils zu begründen vermochte. (Fs)

Das Tridentinum jedoch fand unter dem Pontifikat rechtmäßiger Päpste statt, deren Beitritt, insbesondere deren Bestätigung, selbst dem spärlich beschickten Konzil die Ökumenizität sicherte. Das einzige Glied des bischöflichen Kollegiums, das durch kein anderes ersetzt werden kann, ist dessen Haupt, der Papst. Seine Mitwirkung ersetzt jeden fehlenden Bischof. Dies wird durch kein Konzil des Mittelalters und der Neuzeit so eindrücklich demonstriert wie durch das Konzil von Trient. (Fs) (notabene)

127b Hätte es einer weiteren Bestätigung bedurft - die Nachwirkung dieses Konzils hätte sie erbracht. Gab es Konzilien, die kaum oder nur geringe Wirkung über den Tag hinaus zeitigen - man denke an die ersten drei Laterankonzilien, an die beiden Konzilien von Lyon (1245 und 1274) und schließlich gar an das 5. Lateranense -, so hat das Tridentinum einer dreihundert Jahre währenden Epoche seinen Namen gegeben: Wir sprechen von einer "nachtridentinischen Periode" der Kirchengeschichte. (Fs)

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