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Autor: Voegelin, Eric

Buch: Evangelium und Kultur

Titel: Evangelium und Kultur

Stichwort: Theologischen Spekulation, thomistischen Theologie

Kurzinhalt: Leistung des Christentums; analogia entis; Dogmatik: deskriptive Ordnung, nicht ein rationales System

Textausschnitt: 166 Die vierte Leistung, im Zusammenhang mit den zwei vorhergehenden, ist das kritische Verständnis der theologischen Spekulation und ihres Sinngehaltes, vor allem erreicht durch Dionysius Areopagita und Thomas. Das Zentralstück der Thomistischen Theologie ist die analogia entis, d. h. die Einsicht, daß theologische Urteile nicht Urteile im Sinne von Aussagen über Weltinhalte sind. Der Satz 'Gott ist allmächtig' verbindet ein transzendentes Subjekt (von dem wir keine innerweltliche Erfahrung, sondern nur die Glaubenserfahrung haben) mit einem 'idealisierten', infinitisierten innerweltlichen Prädikat. Der Satz ist daher sinnlos, wenn Subjekt und Prädikat buchstäblich verstanden werden; er gibt Sinn nur, wenn das Prädikat dem extrapolierten Subjekt der Glaubenserfahrung analogisch hinzugefügt wird. (83; Fs)

167 Das, was die Aufklärer des 18. Jh. der christlichen Dogmatik zum Vorwurf machen (der Vorwurf, der bis heute von aufgeklärten Denkern wiederholt wird), daß die Sätze der Theologie nicht verifizierbar im Sinne einer Aussage über Sinneswahrnehmungen und daher sinnlos seien, das ist der Ausgangspunkt der christlichen Theologie. In diesem Punkt würde Thomas jedem Aufklärer zustimmen. Die Dogmatik ist ein Symbolgewebe, das die außerordentlich komplizierten religiösen Erfahrungen expliziert und differenziert; und die Ordnung dieser Symbole ist eine deskriptive Ordnung, nicht ein rationales System, das von Axiomen abgeleitet werden könnte. (Zu beachten ist die Insistenz des Thomas, daß Inkarnation, Trinität und andere Lehrstücke rational undurchdringlich, d. h. rational sinnlos seien.) (83; Fs)

168 Hier scheint mir der Hauptwert der christlichen Theologie zu liegen: als ein mehr als tausendjähriger Schatz von religiösen Erfahrungen, die in einem unerhörten kooperativen Unternehmen der Patristik und Scholastik durchanalysiert und differenziert worden sind. Und gegen diesen Schatz, ohne ihn genauestens zu kennen, irgendwelche philosophischen Spekulationen einzusetzen (seien sie monotheistischer, pantheistischer, dualistischer oder welcher Art immer), die unvermeidlich auf sehr limitierten Erfahrungen einzelner Denker beruhen müssen, scheint mir — ich kann mir nicht helfen - ein frecher Unfug, auch wenn dieser Unfug von Denkern wie Bruno, Hegel, oder William James begangen wird. (83f; Fs)

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