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Autor: Schooyans, Michel

Buch: Ethik, Leben, Bevölkerung

Titel: Ethik, Leben, Bevölkerung

Stichwort: [80] Mindestens ein Fünftel der Menschheit lebt in absoluter Armut, in unmenschlichen, menschenunwürdigen Bedingungen. Ist es nicht im Interesse dieser Menschen und ihrer Familien, daß sie keine Kinder haben?

Kurzinhalt: Die heute in neuer Verpackung dargebotenen Thesen von Malthus sind mehr denn je ein Traumwerkzeug für alle Reaktionäre, die sich jeder sozialen Reform verschließen. Die Malthusianer von heute vergiften die internationale Meinung, indem sie behaupten, ...

Textausschnitt: a) Der englische Pastor Thomas Robert Malthus (1766-1834) vermeinte ein Gesetz gefunden zu haben, wonach zwischen der geometrischen (exponentiellen) Zunahme der Bevölkerung und der arithmetischen (linearen) Progression der Nahrungsmittelressourcen eine Disparität bestehe. Die Neomalthusianer verknüpfen diese - wissenschaftlich unhaltbare - These nun mit einem angeblichen Recht auf risikolose sexuelle Lust. Die neomalthusianischen Thesen - sie präsentieren die Empfängnisverhütung, Sterilisierung, Abtreibung usw. als neue »Menschenrechte« - werden sehr häufig dazu benutzt, die malthusianischen Beweggründe zu maskieren, die eine strikte Bevölkerungskontrolle als dringend gebotene Pflicht darstellen (s.a. 88). Verbreitet werden diese ineinander verzahnten Thesen von denen, deren Interessen sie dienen. (Fs)

b) Weder Armut noch Hunger sind schicksalhaft vorgegeben.1 Beispielsweise war der Nahrungsmittelüberschuß noch nie so groß wie heute. Dasselbe gilt für die Lebenserwartung bei der Geburt, die heute in der ganzen Welt höher ist als je zuvor. Das große Problem besteht jedoch in der Verteilung nicht nur der Nahrungsmittelressourcen, sondern auch der Kenntnisse in Landwirtschaft, Gesundheit, Hygiene, natürlicher Geburtenregelung usw. - von der verbreiteten Korruption ganz zu schweigen. Die Armen erwarten, daß man ihnen aus ihrer Not heraushilft, und nicht etwa, daß man sie - nachdem man sie mit der Abtreibung und Sterilisierung »beglückt« hat - dort verkümmern läßt. (Fs)

c) Die heute praktizierte Massensterilisierung der Armen wird schreckliche soziale Folgen haben. Wenn sie alt sind, werden sie noch genauso arm sein, aber keine Kinder mehr haben, auf die sie zählen können. Sie werden hilflos preisgegeben sein, und die in ihrer Gesellschaft herrschende Gewalt wird ihren Tod ebenso beschleunigen wie heute schon den der Straßenkinder in Bogota, um die sich außer ein paar wohltätigen Stiftungen praktisch niemand kümmert. (Fs)

d) Die heute in neuer Verpackung dargebotenen Thesen von Malthus sind mehr denn je ein Traumwerkzeug für alle Reaktionäre, die sich jeder sozialen Reform verschließen. Die Malthusianer von heute vergiften die internationale Meinung, indem sie behaupten, die Armut habe ihre Ursache weder in der sozialen Ungerechtigkeit, noch im wirtschaftlichen Versagen, noch in der politischen Unfähigkeit, noch in den ideologischen Verirrungen, sondern einzig in der atemberaubenden Proliferation der Armen als solchen. Je mehr diese - vollkommen falsche - These blind als »Beweis« angesehen wird, desto weniger hat das wahre Streben nach Gerechtigkeit und Entwicklung eine Chance; umgekehrt kann die Ausbeutung der Armen skrupellos weitergetrieben werden. (Fs)

e) Alle, die der sozialen Gerechtigkeit zwischen den Menschen und Völkern, der universellen Brüderlichkeit, der Gleichheit und Freiheit für alle, der Achtung der Schwächsten und Ärmsten, der Behinderten und Kranken usw. den Weg versperren, haben sich Malthus ans Banner geheftet. Ein Teil der heutigen militanten Malthusianer hat für die Armen und Schwachen, die Schwarzen und Indios usw. kaum mehr als Verachtung übrig. Die Gleichheit aller Menschen, das Recht aller auf Freiheit, ihr Zugang zu den materiellen, geistigen und spirituellen Gütern sind für sie nichts als unzulässige Ziele, die es zu bekämpfen gilt. Wenn man sich um die gleiche Würde aller Menschen kümmert, so zerstört man ihrer Meinung nach das naturgewollte Gleichgewicht, das die Besten auswähle und die Schwächsten beseitige oder zumindest den Stärkeren weiterhin Zugang zu materiellem Wohlstand sichert und die Schwächeren in Armut und Not beläßt. (Fs)

Alles in allem inspirieren die malthusianischen Ideen die heutigen Lesarten einer naturalistischen Herrenmoral à la Nietzsche. Sie sind daher mit dem Christentum völlig unvereinbar. (Fs)

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