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Autor: Ratzinger, Joseph

Buch: Gott ist uns nah

Titel: Gott ist uns nah

Stichwort: Eucharistie; Einwand: Zerstörung des Opfergedankens?; Opferung, Opfer (offere, operari; immolare)

Kurzinhalt: Aus diesem Grunde wollten die Liturgiereformer zunächst wieder in die Situation vor dem 9. Jahrhundert zurückkehren und den Ritus der Erhebung der Gaben wortlos belassen. Der Heilige Vater, Papst Paul VI.,

Textausschnitt: 64a Damit können wir uns jetzt der zweiten Frage zuwenden, die ja immer lauter wird. Ist nicht in der Liturgiereform eben dies Gewachsene zerstört worden? Wir wollen uns dabei nicht mit einzelnen Mißbräuchen befassen, die es zweifellos gegeben hat und wohl auch noch immer gibt. Ich möchte dazu jetzt nur dies sagen: Wir alle müssen uns wieder neu darüber klar werden, daß die Eucharistie nicht in der Verfügung des Priesters und nicht in der Verfügung einer einzelnen Gemeinde steht, sondern daß sie das Geschenk Jesu Christi an die ganze Kirche ist und daß sie in ihrer Größe nur bleibt, wenn wir sie in dieser Unbeliebigkeit annehmen. All die ersten Scheinerfolge, die erzielt werden, wenn wir statt dessen unsere Gestaltungen wuchern lassen, bleiben Schein und Linsenmus, weil sie überdecken, daß in der wirklichen Eucharistie der Kirche mehr geschieht, als wir selbst je gestalten könnten. Reden wir also nicht weiter von Mißbräuchen, die Sache von einzelnen sind, und die wir im gemeinsamen Glauben zu überwinden versuchen müssen. Sprechen wir von den Angriffen, die auf die amtliche Gestalt der Liturgiereform vorgetragen werden. Von dem Streit um die Übersetzung "für viele" oder "für alle" war schon in der ersten Besinnung die Rede. (Fs) (notabene)

65a Drei weitere Haupteinwände gibt es. Der eine sagt, daß mit der Veränderung der "Opferung" der Opfercharakter der Messe zerstört worden sei, und daß sie so aufgehört habe, katholisch zu sein. Ein zweiter wendet sich gegen die Form des Kommunizierens: stehend in die Hände hinein. Und natürlich bleibt auch immer die Frage der Sprache umstritten. (Fs)

65b Beginnen wir mit dem ersten. Ein in Saarbrücken lehrender Soziologe hat mit einem großen Aufwand an Gelehrsamkeit zu zeigen versucht, daß für jede Religion, und insbesondere für die katholische, wesentlich sei, daß dazu erst eine Opferdarbringung geschehe.1 Nun aber seien stattdessen Lobpreisungen eingefügt. So werde nicht mehr geopfert, also sei die Eucharistie nach dem Konzil nicht mehr die Messe der katholischen Kirche. Nun würde eigentlich schon ein bescheidenes Wissen um den kleinen Katechismus genügen, um zu erkennen, daß der Opfergedanke seinen Sitz nie in der "Opferung" hatte, sondern im Hochgebet, dem "Kanon". Denn wir opfern ja Gott nicht dies und das; das Neue der Eucharistie ist die Gegenwart von Christi Opfer. Deswegen ist das Opfergeschehen dort, wo Sein Wort ertönt, Wort vom Worte, in dem er seinen Tod in ein Geschehen des Wortes und der Liebe verwandelt hat, damit wir so, indem wir es aufnehmen dürfen, hineingeführt werden in seine Liebe, hineingeführt werden in die trinitarische Liebe, in der er ewig sich dem Vater übergibt. Dort, wo das Wort vom Wort ertönt und damit unsere Gaben zu seiner Gabe werden, in der er sich selbst schenkt, dort ist das Opfer, das die Eucharistie seit eh und je ausmacht. (Fs; tblVrw)

66a Das, was wir "Opferung" nennen, hat eine andere Bedeutung. Unser deutsches Wort Opferung kommt entweder von dem lateinischen offerre, oder wahrscheinlicher von operari.2 Offerre bedeutet nicht opfern (das hieße im Lateinischen immolare), sondern es heißt herbeibringen, bereitstellen.3 Und "operari" heißt wirken; es bedeutet hier auch: bereiten. Gedacht war einfach daran, daß da der eucharistische Altar bereitet werden mußte und daß dafür "operari", das heißt mancherlei Tun nötig war, damit die Lichter, damit die Gaben, damit Brot und Wein auf geziemende Weise für die Eucharistie zur Verfügung standen. Zunächst war dies also ein einfaches äußeres Bereiten für das eigentliche Geschehen. Aber sehr bald hat man es in einem tieferen Sinn verstanden. Man hat die Geste des jüdischen Hausvaters übernommen, der das Brot vor das Angesicht Gottes emporhält, um es von ihm neu zu empfangen. In solchem Aufheben der Gabe vor Gott hin, in solchem Miteintreten in die Selbstbereitung Israels für Gott hat man das äußere Bereiten immer mehr als das innere Bereitwerden für die Nähe des Herrn begriffen, der uns selber sucht in unseren Gaben. Bis ins 9. oder 10. Jahrhundert hinein ist diese Geste der Bereitung, die aus Israel übernommen war, wortlos geschehen. Dann entstand der Eindruck, daß jede Gebärde im Christlichen auch des Wortes bedürfe. So wurden etwa im 10. Jahrhundert jene Gebete zur Opferbereitung geschaffen, die die Älteren von uns aus dem alten Missale kennen und lieben und vielleicht auch vermissen in der neuen Meßform. Es waren schöne und tiefe Gebete. Aber man muß doch auch zugeben, daß eine gewisse Mißverständlichkeit in ihnen lag. Sie wurden immerfort im Vorgriff auf das eigentliche Geschehen des Kanons formuliert. Beides, das Bereiten und das Endgültige des Opfers Christi, durchdringt sich in diesen Worten. Was in der Welt des Glaubens seinen guten Sinn hat und im Innern des Glaubens auch verstanden wird - daß wir nämlich in unserem Zugehen auf Christus immer schon von seinem Vorausgehen getragen sind - das konnte doch auch für den Suchenden und von außen Schauenden zum Mißverständnis führen. Daß es dies auch tatsächlich getan hat, zeigen gerade die Reaktionen, von denen eben die Rede war. (Fs)

67a Aus diesem Grunde wollten die Liturgiereformer zunächst wieder in die Situation vor dem 9. Jahrhundert zurückkehren und den Ritus der Erhebung der Gaben wortlos belassen. Der Heilige Vater, Papst Paul VI., hat sich ganz persönlich mit Nachdruck dafür entschieden, daß auch hier Worte des Gebetes bleiben müßten. Er hat selbst an der Formung dieser Gebete Anteil genommen. Sie sind im Großen ihrer Gestalt aus den Tischgebeten Israels genommen. Dabei müssen wir bedenken, daß all diese Tischgebete Israels, diese Segnungen, wie sie heißen, um das Paschageheimnis kreisen, auf das Pascha Israels hinschauen, von ihm her gedacht sind und leben. Dies bedeutet, daß sie im stillen Vorgriffe auf das österliche Geheimnis Jesu Christi sind, daß wir sie adventlich und österlich zugleich nennen dürfen. Vor allem werden wir uns daran erinnern, daß ja auch die Heilige Familie: Jesus, Maria, Joseph, so gebetet hat - auf der Flucht nach Ägypten, im fremden Land und dann zu Hause in Nazaret, und daß wiederum Jesus mit seinen Jüngern so gebetet hat. Wahrscheinlich galt auch damals schon die jüdische Regel, daß am Abend die Mutter die Kerzen entzündet und daß sie die Vörbeterin der Familie ist. So dürfen wir in diesen Segnungen die Stimme Marias hören, mit ihr beten. Das ganze Geheimnis von Nazaret, dieses adventliche Zugehen auf das österliche Geschehen, ist darin anwesend. So ist ein neuer Reichtum in die Liturgie gekommen. Wir beginnen gleichsam mit Nazaret in der Geste der Bereitung und gehen von da aus -in der Mitte des Kanon - hin auf Golgota, und schließlich hinein in das Auferstehungsgeschehen der Kommunion.1 Ich glaube, wenn wir diese neuen alten Gebete so hören, dann können sie uns zu einem wunderbaren Schatz werden in der Vereinigung mit dem irdischen Leben Jesu, in der Vereinigung mit dem wartenden Beten Israels und im gemeinsamen Zugehen von Nazaret auf Golgota und in die Stunde der Auferstehung. (Fs)

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