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Autor: Brandmüller, Walter

Buch: Licht und Schatten

Titel: Licht und Schatten

Stichwort: Papst - Kritik am Papsttum; Martin Luther; Mittelalter

Kurzinhalt: Daß dieses römische Papsttum die Wechselfälle seiner zweitausendjährigen Geschichte nicht nur überlebt hat, sondern aus deren Gefährdungen, Niedergängen und Umbrüchen immer wieder erneuert und gekräftigt hervorgegangen ist, ist ein ...

Textausschnitt: 23c Noch im Vorfeld des Konzils von 1869/70 hatte diesbezüglich der berühmte Münchener Kirchenhistoriker Ignaz von Döllinger geschrieben, daß "das Papsttum wie es geworden, als ein entstellender, krankhafter, athembeklemmender Auswuchs am Organismus der Kirche erscheint, der die besseren Lebenskräfte in ihr hemmt und zersetzt". Mit seiner maßlosen Polemik gegen das Konzil hat Döllinger die Abspaltung des Altkatholizismus maßgeblich mitverschuldet. (Fs)

24a Keine hundert Jahre zuvor hatten sich die Erzbischöfe von Mainz, Trier, Köln und Salzburg auf dem sogenannten Emser Kongreß des Jahres 1786 zusammengetan, um unter dem Schutz Kaiser Josefs II. gegen den römischen Anspruch zu protestieren. Sie stützten sich dabei auf einige der Aufklärung verpflichtete Kanonisten, denen zufolge der Papst wohl "Centrum unitatis" der Kirche sei und ein Aufsichtsrecht über die Bischöfe innehabe. Die eigentliche Gewalt in der Kirche komme hingegen dem Konzil zu, dessen Beschlüsse der Papst lediglich zu vollziehen habe. Seine zwischen den Konzilien getroffenen Entscheidungen bedürften der Zustimmung der Gesamtkirche. In ihren Forderungen gingen die Erzbischöfe so weit, daß sie für die Verbindlichkeit von päpstlichen Bullen, Lehrschreiben usw. in den einzelnen Diözesen die Genehmigung des jeweiligen Bischofs forderten. Auch unbeschränkte Binde- und Lösegewalt wurde für die Bischöfe beansprucht. (Fs)

24b Obwohl nun einzelnen der hier nicht erschöpfend aufgeführten Forderungen nicht jede Berechtigung ermangelte und ihre Urheber nicht ohne weiteres Häretiker und Schismatiker waren, eignete ihrem Programm dennoch eine innere Dynamik, die in die Richtung einer Auflösung der kirchlichen Einheit und einer Zersplitterung in Nationalkirchen drängte. Insbesondere traf die Absicht, die Geltung päpstlicher Lehr- und Verwaltungs- oder Gerichtsentscheidungen von der Zustimmung des einzelnen Bischofs abhängig zu machen, den Nerv des päpstlichen Amtes. Indes gingen mit der fürstlichen Herrlichkeit der protestierenden Erzbischöfe und dem "Ancien regime" auch ihre Emser Forderungen in der Sturmflut der Französischen Revolution und der napoleonischen Herrschaft unter, als die Reichskirche in der Säkularisation ihr Ende fand. (Fs)

24c Ihre Ideen schwelen aber noch heute unter der Decke weiter. Gleiches gilt von der ebenso vom Gedankengut der Aufklärung gespeisten Synode von Pistoja des gleichen Jahres. Sie wollte den Papst gleichsam zum Exekutivbeamten degradieren, der seine Vollmachten von der Gesamtkirche empfängt. Die Befugnisse der Bischöfe, ja der Pfarrer, wurden zu Pistoja so weit ausgedehnt, daß der Papst de facto überflüssig geworden wäre. (Fs)

24d Gehen wir in der Geschichte noch weiter zurück, so begegnen wir in der Person Martin Luthers dem radikalsten Nein zum Papsttum überhaupt. Bekannt ist sein immer wieder ausgesprochener Satz "Pestis eram vivus, moriens ero mors tua, papa"! (Pest war ich dir, Papst, im Leben - im Sterben werde ich dein Tod sein!) "Vom Papsttum zu Rom vom Teufel gestiftet", so überschrieb er eine seiner Altersschriften, in der er sagt, man solle "den Papst, Cardinäle und was seiner Abgötterei ... Gesinde ist, nehmen und ihnen, als Gotteslästerern, die Zungen hinten am Hals herausreißen und an den Galgen nageln ..." Er fordert auf, den Papst etc. gefesselt bei Ostia im Meer zu ertränken, und an anderer Stelle ruft Luther den deutschen Fürsten zu, sie sollten die ganze Rotte des römischen Sodoma austilgen und die Hände in ihrem Blut waschen. (Fs)

25a Vor solchen Ausbrüchen nehmen sich die Bestrebungen des Konziliarismus im vorausgehenden 15. Jahrhundert geradezu harmlos aus. Gewiß zielten diese auf eine Einschränkung der päpstlichen Vollmachten in Rechtsprechung, Gesetzgebung und Verwaltung zugunsten von Konzil und Bischöfen. Gewiß behaupteten auch nicht wenige die Oberhoheit eines Allgemeinen Konzils über den Papst und meinten Kreise der Konzilsväter in Konstanz und Basel, Päpste absetzen zu können: Doch es hatte sich gerade zu Konstanz bei Johannes XXIII. und Benedikt XIII. mit Sicherheit nicht um rechtmäßige Päpste gehandelt - der Anspruch der Konstanzer war ins Leere gestoßen. Und als die Baseler 1439 den rechtmäßigen Eugen IV. abgesetzt zu haben glaubten, war das Scheitern ihres Umsturzversuchs abzusehen. (Fs)

Papstkritik gab es auch im Hohen Mittelalter - von Heiligen geäußert oder von Ketzern: Sie hatte Person und Amtsführung von Päpsten zum Gegenstand. Von Stolz, Habgier, Machtmißbrauch war da die Rede, nicht aber ging es dabei um das Petrusamt und seine Gewaltenfülle. (Fs)

All dessen ungeachtet existiert dieses Papsttum seit zweitausend Jahren, und es hat sich trotz aller Bestreitung von innen und Verfolgung von außen in jenen zwei Jahrtausenden zu eben der Gestalt entfaltet, in der es uns die beiden letzten Konzilien vor Augen gestellt haben. (Fs)

Daß dieses römische Papsttum die Wechselfälle seiner zweitausendjährigen Geschichte nicht nur überlebt hat, sondern aus deren Gefährdungen, Niedergängen und Umbrüchen immer wieder erneuert und gekräftigt hervorgegangen ist, ist ein historisch beispielloses Phänomen. Schon der englische Historiker Macaulay hat es vor mehr als hundertfünfzig Jahren bestaunt:

"Die stolzesten Königshäuser sind im Vergleich mit der langen Reihe der römischen Päpste erst von gestern ... Die Republik von Venedig, welche im Bezug auf das Alter ihres Ursprungs zunächst nach dem Papsttum kommt, war im Vergleich zu ihm jung. Die Republik von Venedig besteht nicht mehr, und das Papsttum besteht nicht im Zustand des Zerfalls und als Ruine, sondern voll Leben und Kraft, während alle andern Reiche, die mit ihm von gleichem , Alter waren, längst in Staub zerfallen sind ... Wahrlich, diese Kirche ist das Meisterstück menschlicher (!) Weisheit..."

25a Mit seiner letzteren Feststellung täuscht sich der gelehrte Historiker. Der Grund für diese Beständigkeit, Unzerstörbarkeit des Papsttums, den er nennt, reicht wahrlich nicht aus. Es muß um mehr gehen: Das Papsttum wurzelt zutiefst in der authentischen Überlieferung der Kirche und damit in der Offenbarung Gottes. (Fs)

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