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Autor: Brandmüller, Walter

Buch: Licht und Schatten

Titel: Licht und Schatten

Stichwort: Kirche, Wahrheit, Vertrauen; legitimen Wandel; biblische Begründung (Wort an Petrus); Grund: Anwesenheit Christi in der Kirche

Kurzinhalt: Während nämlich Veränderungen in der verbindlichen Glaubenslehre, im Wesenskern der Sakramente und im Kernbereich der hierarchisch-sakramentalen Ämter undenkbar und auch niemals vorgekommen sind, ist zeitbedingter Wandel ...

Textausschnitt: Gibt es legitimen Wandel?

12a An dieser Stelle ist nun auf ein weitverbreitetes Mißverständnis einzugehen. Es gibt immer wieder ernsthafte Gläubige, die gerade i diese Dauerhaftigkeit der Kirche in Frage stellen, da die Kirche im Jahre 2000 doch keinesfalls mehr jener Kirche gleiche, die die Apo-jstel bei ihrem Tod zurückgelassen haben. Manche meinen auch, I Veränderungen, die im Laufe der letzten Jahrzehnte eingetreten i 6ind, als Beweis gegen die Dauerhaftigkeit der Kirche anführen zu können, andere bezeichnen diese Veränderungen als Abfall von der (Wahrheit. Daraus ergeben sich nicht selten Erschütterungen des Vertrauens in die Kirche. Diese erweisen sich jedoch bald als unbegründet, ist man nur bereit, notwendige Unterscheidungen vorzunehmen. (Fs)

12b Während nämlich Veränderungen in der verbindlichen Glaubenslehre, im Wesenskern der Sakramente und im Kernbereich der hierarchisch-sakramentalen Ämter undenkbar und auch niemals vorgekommen sind, ist zeitbedingter Wandel in den anderen Lebensbereichen der Kirche im Laufe ihrer Geschichte nicht nur möglich, sondern auch notwendig, wenn die Kirche unter jeweils veränderten Umständen und Verhältnissen ihre Sendung getreu erfüllen soll. So etwa sind kirchliche Ämter geschaffen und abgeschafft worden, Orden gegründet worden und untergegangen, Andachtsformen eingeführt worden und dem Vergessen anheimgefallen. Feste und Fastenzeiten unterlagen regionalen Unterschieden und zeitlichen Veränderungen - und seit den Eucharistiefeiern der Apostel haben sich zahlreiche Liturgieformen herausbildet und wurden wieder überholt, worauf jeweils neue Liturgiereformen erfolgten. Gerade Letzteres sollte bedacht werden, wenn man heute da und dort erbittert über "alte" und "neue" Messe streitet. (Fs)

Auch der schon erwähnte Wandel der kirchlichen Gesetzgebung und Praxis bezüglich des Zinsnehmens war ein sachlich richtiger und durchaus kohärenter Wandel - erfordert und ermöglicht durch gewandelte Umstände des Wirtschaftslebens. (Fs)

13a Gleiches gilt von der Abschaffung des Verbotes der Leichenverbrennung im Zusammenhang mit dem Zweiten Vatikanum. War diese einst Ausdruck des Protestes gegen den Glauben an die Auferstehung des Fleisches und darum abzulehnen, so konnte die Leichenverbrennung, unter den Bedingungen der Gegenwart ihres glaubensfeindlichen Charakters entkleidet, durchaus zugelassen werden, wo sie zweckdienlich erscheint. (Fs)

13b Aber auch in dem schon erwähnten Kernbereich von Dogma, Hierarchie und Sakrament glauben manche Christen, Instabilität erkennen zu können. So etwa werfen die Orthodoxen der katholischen Kirche die Einfügung des "Filioque" ins Glaubensbekenntnis und die neuen Dogmen von der Unbefleckten Empfängnis Mariens (1854), der Unfehlbarkeit und dem Universalprimat des Papstes (1870) sowie der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel (1950) als Abfall vom Glauben der Väter, als ganz und gar unzulässige Neuerungen, Veränderungen vor. (Fs)

13c Das aber sind diese Dogmen gerade nicht: Bei ihnen handelt es sich nicht um Veränderung, sondern um organische Entfaltung des Glaubens unter der Anleitung des Heiligen Geistes. Daß dem so ist, zeigt sich schon darin, daß keine dieser "neuen" Glaubenslehren in irgendeinem Punkt der überlieferten Wahrheit widerspricht. Viel mehr fügen sie sich harmonisch in den Gesamtorganismus der Glaubenswahrheiten ein, ja sind geradezu die logische Folgerung aus der Glaubensüberlieferung der Kirche, die durch sie Vertiefung und Erklärung erfährt. (Fs)

Biblische Begründung

13d Nun war schon davon die Rede, daß Jesus Christus seiner Kirche die Unzerstörbarkeit und das unversehrte Bleiben in der Wahrheit garantiert habe. Das ist gegenüber all den erwähnten Bestreitungen und Mißverständnissen eingehender zu begründen, und zwar aus der Heiligen Schrift des Neuen Testaments. (Fs)

Als entscheidendes Argument für die Unzerstörbarkeit der Kirche ist das Wort des Herrn an Petrus anzusehen, das im 16. Kapitel des Matthäusevangeliums überliefert ist: "Du bist Petrus, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen, und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen." Mit den "Mächten der Unterwelt" ist die sonst alles zerstörende Macht des Todes, die Vergänglichkeit gemeint. Das heißt, daß Jesus der Kirche unvergängliche Dauer, so lange diese Weltzeit währt, verheißen hat. (Fs)

14a Auch der Bau auf den Felsen will das gleiche aussagen. Schon in einem der Qumran-Loblieder (IQH VI 26-28) heißt es: "Und ich freute mich über deine Wahrheit, mein Gott; denn du legst ein Fundament auf Fels ... zu bauen eine starke Mauer; die nicht erschüttert wird; und alle, die hineintreten, werden nicht wanken." Auch im Gleichnis vom Hausbau auf Sand beziehungsweise auf Fels ist der Felsengrund Voraussetzung dafür, daß das Haus allen Stürmen standhält (Mt 7; Lk 6). Der innere Grund hierfür ist die beständige Anwesenheit und Wirksamkeit Jesu Christi in seiner Kirche, der den Aposteln versprochen hat: "Siehe ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt." Paulus gibt dieser Gewißheit Ausdruck, wenn er im ersten Korintherbrief 11,26 sagt: "So oft ihr dieses Brot eßt und den Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er wiederkommt." Das heißt, daß die Kirche bis zur Wiederkunft Christi am Ende der Zeit bestehen wird. (Fs)

14b Aufs engste mit der Unzerstörbarkeit der Kirche ist ihr unfehlbares Bleiben in der Wahrheit verbunden, ist doch die Wahrheit ihrer Lehre, die die Offenbarung Gottes zum Inhalt hat, die unersetzliche Bedingung ihrer Existenz. Das heißt, daß die Kirche aufhören würde zu existieren, wenn sie sich je von der Grundlage dieser Wahrheit auch nur in einem Punkt entfernen würde. Und eben das kann aufgrund der Verheißungen Jesu niemals geschehen, der den Aposteln für die Zeit seiner körperlichen Abwesenheit versprochen hat: "Ich werde den Vater bitten, und er wird euch einen anderen Beistand geben, der für immer bei euch bleiben soll. Es ist der Geist der Wahrheit..." (Joh 14,16). Und ebenda: "Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe" (Joh 14,26). Beide Elemente, Unzerstörbarkeit und Unfehlbarkeit der Kirche, drückt der Apostel Paulus im ersten Brief an Timotheus (3,15) aus, wenn er die Kirche "die Säule und das Fundament der Wahrheit Gottes" nennt. Im übrigen weisen auch die Bildaussagen, die die Kirche als Bau, als Volk, kurzum als Werk Gottes, als Leib Christi bezeichnen, auf deren göttliche Stiftung und damit auf ihr den zerstörenden Kräften dieser Welt unzugängliches Wesen hin. (Fs)

15a Nun ist freilich einzuräumen, daß eine solche Beweisführung auf Menschen, die außerhalb der Kirche stehen, kaum überzeugend wirken wird, da für sie Jesus Christus allenfalls eine bedeutende historische Persönlichkeit darstellt, die natürlich, wie jeder andere Mensch, keineswegs jedem Irrtum enthoben ist. Wenn wir aber bereit sind, die Offenbarung Gottes in Jesus Christus gläubig anzunehmen, ja, ihn selbst als den menschgewordenen Gott zu bekennen, dann erschließt sich uns auch die Überzeugungskraft der angeführten Worte der Heiligen Schrift, die wir ja als Wort Gottes erkennen. Dann aber gewinnen diese Verheißungen ihr volles Gewicht. (Fs)

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