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Autor: Leppin, Volker

Buch: Wilhelm von Ockham

Titel: Wilhelm von Ockham

Stichwort: Ockham: Rasiermesser; Ökonomieprinzip

Kurzinhalt: Es wird spätestens seit Leibniz in der Formulierung "Entia non sunt multiplicanda sine necessitate" ... in der philosophischen Literatur immer wieder als Diktum Ockhams zitiert. Diese Formulierung sttammt so nicht von Ockham, ...

Textausschnitt: 62b Mit den Fragen der Evidenz, des syllogistischen Schlussverfahrens und der Suppositionstheorie ist das wissenschaftliche Gerüst, mit dem Ockham zu arbeiten pflegte, einigermaßen fest umrissen. Und doch wäre eine Skizzierung der Methode von Ockhams Denken wohl unzureichend, wenn nicht wenigstens noch auf eine der berühmtesten Denkregeln Ockhams eingegangen würde: das so genannte Rasiermesser.1 Es wird spätestens seit Leibniz2 in der Formulierung "Entia non sunt multiplicanda sine necessitate" ("Das, was ist, darf ohne Not nicht vervielfacht werden") in der philosophischen Literatur immer wieder als Diktum Ockhams zitiert. Diese Formulierung stammt so nicht von Ockham, auch wenn manche seiner Formulierungen ihr sehr nahe kommen.3

63a Allerdings ist Ockhams Denken eher in einer Wendung erfasst wie: "Eine Mehrheit darf man nicht ohne Not annehmen"4 oder ähnlichem. Gemeint ist damit nicht eine Reduktion des Existierenden, sondern Ockham denkt wie stets umgekehrt: von der Sprache aus. Das Ökonomieprinzip - so der sachlich angemessenere Ausdruck für das "Rasiermesser" - ist in gewisser Weise die Kehrseite zur skizzierten Ent-Ontologisierung allen Wissens bei Ockham, insofern es der vorschnellen Ontologisierung durch sprachliche Möglichkeiten wehren soll. Instruktiv hierfür sind die Beispiele, die Ockham in seinen späteren Ausführungen in der Summe der Logik wählt. Hiernach ist ein klassischer Satz, der durch das Ökonomieprinzip betrachtet werden muss: "Etwas, was geeignet ist, ist wegen seiner Geeignetheit geeignet."5 Wie die anderen Beispiele im Kontext zeigen, ist das Anstößige an diesem Satz die Annahme, es sei nötig, die Eigenschaftsaussage "geeignet" noch durch ein Abstraktum der "Geeignetheit" zu erklären. Dies würde in der Tat die Annahmen über die Vielzahl in der Wirklichkeit in unangemessener Weise vermehren. Nicht jedem sag- und denkbaren Wort also muss eine Realität entsprechen, sondern die Realität ist einfacher erklärbar, als es der Fall wäre, wenn man jedes menschliche Wort in sie hineinprojizierte. (Fs)

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