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Autor: Thomas, Aquin von

Buch: Gott der dreieinige

Titel: Kommentar zu F1_027 - F1_043

Stichwort: Dogmengeschichtliche Voraussetzung (Trinität): Summa theologiae I, qu. 27 -43

Kurzinhalt: Die wesentlichen Punkte der dogmengeschichtlichen Entwicklung faßten die Theologen des Vatikanischen Konzils zusammen zu einem Definitionsentwurf, der jedoch wegen der Unterbrechung des Konzils nicht definiert werden konnte: ...

Textausschnitt: DOGMENGESCHICHTLICHE VORAUSSETZUNGEN

379a Die Lehre des hl. Thomas über das Dogma der Allerheiligsten Dreifaltigkeit setzt eine lange Entwicklung im Glaubensbewußtsein der Kirche voraus. Man kann die thomistische Lehre in ihrem eigenen Wert nicht erfassen, wenn man sie nicht in diesem Zusammenhang sieht. Wir müssen darum zuvor die Entwicklung der kirchlichen Trinitätslehre in großen Strichen zeichnen. (Fs)

379b Die Kenntnis von der Dreipersönlichkeit Gottes verdanken wir erst der Offenbarung des Neuen Bundes. Der Gottesglaube des Alten Bundes ist beherrscht vom Gedanken an den einzigen Herrn der Welt, den Lenker alles irdischen Geschehens, den Bundesgott des auserwählten Volkes. Eine Vielheit der göttlichen Personen wurde den Gläubigen des Alten Bundes nicht geoffenbart; es wäre das, wie die Väter immer wieder hervorheben, eine zu große Gefahr des Abgleitens in die Vielgötterei der Heidenvölker gewesen. Und trotzdem fehlen in den Büchern des Alten Bundes nicht alle Beziehungen zum neutestamentlichen Glauben an die Allerheiligste Dreifaltigkeit. Der Alte Bund ist seinem Wesen nach die Vorbereitung auf den Neuen; schon aus diesem Grunde muß auch das Kerngeheimnis des Neuen Bundes, der Glaube an die Dreipersönlichkeit Gottes, wenn auch nur in Andeutungen, im Alten Bund vorbereitet sein. In der patristischen Literatur werden darüber hinaus sehr viele alttestamentliche Schriftstellen herangezogen, um die Gottheit der zweiten und dritten göttlichen Person zu beweisen. Die Väter gehen dabei schon von der Offenbarung des Neuen Bundes aus; sie betrachten in ihrem Kampf gegen die Irrlehrer die Schriften des Alten Bundes im Licht der neutestamentlichen Offenbarung. Nimmt man jedoch das Alte Testament für sich allein, versteht man es nur nach seinem unmittelbaren Wortsinn, so läßt sich aus ihm eine Mehrzahl der göttlichen Personen nicht nachweisen. Das gilt auch von den Stellen, an denen, wie im Buch der Sprüche und im Weisheitsbuch, von der göttlichen Weisheit als einer von Gott verschiedenen Person, oder, wie in den Prophezeiungen über den Messias, von diesem als von einer zweiten göttlichen Person die Rede zu sein scheint. Man kann diese Texte im Sinne einer bioßen Personifikation der göttlichen Weisheit verstehen; auch wenn von gottähnlichen Eigenschaften des Messiaskönigs gesprochen wird, ist doch nicht klar ersichtlich, ob es sich wirklich um eine vom Bundesgott verschiedene Person handelt. (Fs)

379c Im Neuen Testament ist der Glaube an die Dreifaltigkeit klar ausgesprochen. Seine Hauptstütze bildet der Taufbefehl Mt 28, 19: "Gehet hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes." Ähnliche trinitarische Wendungen kehren auch in den übrigen neutestamentlichen Schriften wieder. (Fs)

380a Diese trinitarischen Formeln bilden von nun an das Grundschema für den Ausdruck des christlichen Gottesbegriffes. So sagt z. B. der hl. Irenäus von Lyon im zweiten Jahrhundert: "Das ist die rechte Ordnung unseres Glaubens, das Fundament des Gebäudes, die Festigung des Weges: Gott der Vater, ungeworden, unendlich, unsichtbar, ein Gott, Schöpfer des Alls. Das ist das erste Hauptstück unseres Glaubens. Das zweite Hauptstück sodann ist das WORT Gottes, der Sohn Gottes, Christus Jesus, unser Herr, der den Propheten erschienen ist... Der gleiche wurde am Ende der Zeiten Mensch..., um Gemeinschaft und Frieden zwischen Gott und den Menschen zu wirken. Das dritte Hauptstück ist der Heilige Geist, durch den die Propheten weissagten, und die Väter die göttlichen Dinge lernten... und der in der Fülle der Zeiten aufs neue über die Menschheit ausgegossen ward auf der ganzen Erde, die Menschen für Gott neuzuschaffen" (vgl. L. v. Rudloff, Das Zeugnis der Väter, 1937, S. 84; daselbst auch andere Zeugnisse). (Fs)

380b Dieser kirchliche Trinitätsglaube ist beim Versuch, ihn dem menschlichen Verständnis näherzubringen, mehrfach mißverstanden worden. Die Monarchianer (s. Anm. [3]) hoben mit ihrer Überbetonung der Einheit Gottes die Personverschiedenheit auf. Ihnen gegenüber suchten die Vertreter des kirchlichen Dogmas nachzuweisen, daß die Vielheit der Personen die Einheit Gottes nicht aufzuheben brauche, dabei ließen sie sich jedoch vielfach verleiten, den Sohn und den Heiligen Geist der ersten göttlichen Person unterzuordnen. So z. B. Tertullian (+ nach 220) und Origenes (+ 255). Jedoch hielten sie an der Gottheit aller drei Personen fest. Gerade darin unterscheiden sie sich von der zweiten häretischen Umdeutung des Dreifaltigkeitsglaubens, vom Arianismus (vgl. Anm. [2]), welcher Sohn und Geist dem Vater als Geschöpfe unterordnet. Den Monarchianismus überwand die Kirche vor allen Dingen dank der Wachsamkeit der römischen Bischöfe, den Arianismus durch die Entscheidungen der Konzilien von Nizäa (325) und Konstantinopel (381) und durch die unermüdlichen Kämpfe der griechischen Kirchenväter. Gerade die Auseinandersetzungen mit dem Arianismus haben die theologische Vertiefung des Dreifaltigkeitsglaubens gefördert. Die trinitarischen Schriften eines hl. Athanasius (+ 373), Basilius d. Gr. (+ 379), Gregor von Nazianz (+ 390), Gregor von Nyssa (+ nach 394) verdanken diesen Kämpfen ihre Entstehung; sie sind grundlegend für die gesamte spätere theologische Deutung des Dreifaltigkeitsgeheimnisses geworden. Auch das große Werk des hl. Augustinus (+ 430) über die Dreieinigkeit steht unter dem Zeichen des Kampfes gegen den Arianismus. Augustinus faßte darin die bisher geleistete theologische Arbeit zusammen, deutete sie in der ihm eigenen Weise und wurde zum eigentlichen Begründer der sogenannten psychologischen Trinitätslehre, d. h. jener Lehre, die den Hervorgang des Sohnes aus dem Vater als Akt des Erkennens, den Hervorgang des Geistes aus Vater und Sohn als Akt der gegenseitigen Liebe deutet. Diese Erklärung war durch einige frühere Schriftsteller, besonders durch Terlullian, vorbereitet worden; Augustinus baute sie aus; der Scholastik, besonders dem hl. Thomas blieb es vorbehalten, ihr mit Hilfe der aristotelischen Psychologie die letzte Vollendung zu geben. Für die abendländische Theologie ist das Werk des hl. Augustinus grundlegend geblieben. Im Morgenlande gab der hl. Johannes von Damaskus (+ 749) in seiner "Glaubenslehre" eine Zusammenfassung der trinitarischen Lehren der griechischen Väter. Vom Mittelalter an hat die theologische Deutung des hl. Augustinus auch auf die morgenländische Theologie Einfluß ausgeübt. (Fs)

381a Die Betonung der Wesenseinheit der drei göttlichen Personen gegen den Arianismus brachte es mit sich, daß manche Väter in der Erklärung des Geheimnisses von dieser Wesenseinheit ausgingen, um von ihr aus die Vielheit der Personen zu begreifen, während man bisher gewohnt war, den umgekehrten Weg zu geben, d. h. unter starker Betonung der Personverschiedenheit zu einem Verständnis der Wesenseinheit zu gelangen. Augustinus und die gesamte abendländische Theologie mit ihm hat sich für den ersten Standpunkt entschieden. Auf die Unterschiede, die sich daraus in der Lösung verschiedener theologischer Probleme ergeben, wird im Kommentar hinzuweisen sein, ebenso wie auf spätere irrige Auffassungen oder Erklärungen des Trinitätsgeheimnisses, die fast nur Abarten der großen Irrlehren des Altertums sind. (Fs)

381b Die wesentlichen Punkte der dogmengeschichtlichen Entwicklung faßten die Theologen des Vatikanischen Konzils zusammen zu einem Definitionsentwurf, der jedoch wegen der Unterbrechung des Konzils nicht definiert werden konnte: "Das höchste aller Geheimnisse, die wir im Licht des Glaubens bekennen, ist Gott selbst, der da ist einer Seinem Wesen nach, dreifaltig in den Personen: Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Diese selige Dreifaltigkeit ist nach der ungetrübten Wahrheit des katholischen Glaubens ein Gott, weil die Wesenheit oder der Selbstand allen drei Personen gemeinsam und der Sache und der Zahl nach eins ist. Der Vater zeugt von Ewigkeit her den Sohn; dabei bringt Er nicht durch einen Ausfluß eine zweite, der Seinen ähnliche Wesenheit hervor, sondern Er teilt Ihm Seine eigene ganz einfache Wesenheit selbst mit. Auch der Heilige Geist geht von Vater und Sohn als einem Urgrund durch eine ewige Hauchung, nicht durch ein Neuentstehen des Wesens, sondern durch Mitteilung der gleichen einzigen Wesenheit hervor. So ist also diese der Zahl nach einzige Wesenheit oder Natur wirklich Vater, Sohn und Heiliger Geist, sie ist eins mit allen drei Personen zugleich und mit jeder einzelnen von ihnen, so daß die drei Personen voneinander wirklich verschieden sind, dem Wesen nach oder der Natur nach jedoch sind sie eins und dasselbe."

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