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Autor: Ratzinger, Joseph

Buch: Glaube - Wahrheit - Toleranz

Titel: Glaube - Wahrheit - Toleranz

Stichwort: Glaube, Vernunft: Christentum als Synthese; Durchbruch zur Universalität im dreifachen Sinn: Blutsbande, Moral, Kult

Kurzinhalt: Der Universalgott war dennoch an ein bestimmtes Volk gebunden; die universale Moral war mit sehr partikulären Lebensformen verknüpft, die außerhalb Israels gar nicht gelebt werden konnten; der geistige Kult war immer noch an Rituale des Tempels ...

Textausschnitt: Christentum als Synthese von Glaube und Vernunft

125a Der in der Septuaginta dargestellte Glaube Israels zeigte den Zusammenklang von Gott und Welt, von Vernunft und Geheimnis. Er gab moralische Weisung, aber etwas fehlte doch: Der Universalgott war dennoch an ein bestimmtes Volk gebunden; die universale Moral war mit sehr partikulären Lebensformen verknüpft, die außerhalb Israels gar nicht gelebt werden konnten; der geistige Kult war immer noch an Rituale des Tempels geknüpft, die man symbolisch auslegen mochte, aber die doch im Grunde von der prophetischen Kritik überholt und für den fragenden Geist nicht mehr aneignungsfähig waren. Ein NichtJude konnte immer nur in einem äußeren Ring dieser Religion stehen. Er blieb »Proselyt«, weil die volle Zugehörigkeit an die blutsmäßige Abstammung von Abraham, an eine völkische Gemeinschaft gebunden war. Auch blieb das Dilemma, wieweit nun doch das spezifisch Jüdische notwendig war, um diesem Gott recht dienen zu können, und wem es zustand, da die Grenze zwischen dem Unverzichtbaren und dem geschichtlich Zufälligen oder Überholten zu ziehen. Volle Universalität war nicht möglich, weil volle Zugehörigkeit nicht möglich war. Hier hat erst das Christentum den Durchbruch gebracht, die »Mauer niedergerissen« (Eph 2,14), und dies in einem dreifachen Sinn: Die Blutsbande mit dem Stammvater sind nicht mehr nötig, weil der Anschluß an Jesus die völlige Zugehörigkeit, die wahre Verwandtschaft bewirkt. Jeder kann nun ganz zu diesem Gott gehören, alle Menschen sollen sein Volk werden dürfen und können. Die partikulären Rechts- und Moralordnungen verpflichten nicht mehr; sie sind zu einem geschichtlichen Vorspiel geworden, weil in der Person Jesu Christi alles zusammengefaßt ist und wer ihm nachfolgt, das ganze Wesen des Gesetzes in sich trägt und erfüllt. Der alte Kult ist hinfällig und aufgehoben in der Selbsthingabe Jesu an Gott und die Menschen, die nun als das wahre Opfer erscheint, als der geistige Kult, in dem Gott und Mensch sich umarmen und versöhnt werden, wofür das Herrenmahl, die Eucharistie, als reale und jederzeit gegenwärtige Gewißheit steht. Vielleicht der schönste und bündigste Ausdruck dieser neuen christlichen Synthese findet sich in einem Bekenntniswort des ersten Johannesbriefs: »Wir haben der Liebe geglaubt« (1 Joh 4,16). Christus war für diese Menschen zur Entdeckung der schöpferischen Liebe geworden; die Vernunft des Weltalls hatte sich als Liebe offenbart - als jene größere Rationalität, die auch das Dunkle und Irrationale in sich aufnimmt und heilt. (Fs) (notabene)

126a So war die geistige Bewegung, die im Weg Israels erkennbar war, an ihr Ziel gekommen, die ungebrochene Universalität nun praktische Möglichkeit. Vernunft und Geheimnis trafen sich; gerade das Zusammenziehen des Ganzen in einem hatte die Türen für alle geöffnet: Alle Menschen können Brüder, Geschwister werden von dem einen Gott her. Und auch das Thema Hoffnung und Gegenwart erhält neue Form: Die Gegenwart läuft auf den Auferstandenen zu, auf eine Welt, in der Gott alles in allem sein wird. Aber gerade von daher wird sie auch als Gegenwart bedeutsam und wertvoll, weil sie jetzt schon von der Nähe des Auferstandenen durchtränkt ist und der Tod nicht mehr das letzte Wort hat. (Fs)

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