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Autor: Amerio, Romano

Buch: Iota Unum

Titel: Iota Unum

Stichwort: Die nachkonziliare Kirche; Ausgang der Apologetik, Heiligkeit der Kirche

Kurzinhalt: Und schließlich ist sie heilig, weil sie die geoffenbarte Wahrheit unfehlbar und unverbrüchlich besitzt. Von diesem Punkt muß die katholische Apologetik an sich ausgehen. Die Kirche kann nicht aufzeigen, daß sie in ihrem geschichtlichen Werdegang ...

Textausschnitt: 58. Die Heiligkeit der Kirche. Der Ausgangspunkt der Apologetik

130a Ein Glaubenssatz, der auch im Credo verankert ist, besagt, daß die Kirche heilig ist. Allerdings ist es nicht ganz einfach, diese Heiligkeit theologisch zu definieren. Das eigentliche Thema ist hier nicht der Begriff der durch Kanonisation festgestellten Heiligkeit. Dieses Verständnis von Heiligkeit war in der Geschichte gewiß sehr variabel. So hatten zweifellos der hl. Kaiser Heinrich II. und der hl. Johannes Bosco, die hl. Jeanne d'Arc und die hl. Theresia von Lisieux ein je verschiedenes heiliges Wesen. Außerdem sind die mit der Heiligsprechung erfaßten Tugenden heroischen Grades sicherlich nicht ein und dasselbe wie die Heiligkeit aller Begnadeten1 als solcher. (Fs)

130b Daß die Sünde der Getauften der Heiligkeit der Kirche keinen Abbruch tut, ist dargelegt in Summa theol. III, q. 8, a. 3 ad secundum und im Catechismus ad parochos (Hauptabschnitt vom Apostolischen Symbolon), den das Konzil von Trient herausgegeben hat. Dennoch ist diese Grundvorstellung nach wie vor so komplex, daß nur eine scharfe Unterscheidung Klarheit verschaffen kann. Es empfiehlt sich also, wohl zu unterscheiden zwischen dem natürlichen Element und dem übernatürlichen, die neue Kreatur hervorbringenden Element, dem subjektiven und dem objektiven** Element, dem geschichtlichen und dem in es hineinwirkenden überzeitlichen Element. (Fs)
130c Zunächst ist die Kirche als Leib, dessen Haupt der Gottmensch ist, objektiv2 heilig. Mit dem Haupt verbunden, wird auch sie gottmenschlich. Es ist tatsächlich unvorstellbar, daß ein - wie auch immer beschaffenes - Synholon3 einen profanen Leib mit heiligem Haupt aufweisen könnte. (Fs)

131a Sodann ist sie objektiv heilig, weil sie die Eucharistie besitzt, die das wesenhaft Hochheilige und das wesenhaft Heiligmachende ist, denn alle Sakramente ergeben sich von der Eucharistie. (Fs)

131b Und schließlich ist sie heilig, weil sie die geoffenbarte Wahrheit unfehlbar und unverbrüchlich besitzt. Von diesem Punkt muß die katholische Apologetik an sich ausgehen. Die Kirche kann nicht aufzeigen, daß sie in ihrem geschichtlichen Werdegang ohne Unterlaß einwandfrei nach dem Grundsatz des Evangeliums gehandelt hat, wohl aber kann sie nachweisen, ununterbrochen die Wahrheit gepredigt zu haben, und genau hier - nicht im ersteren - ist die Heiligkeit der Kirche zu finden. Die zuständigen Kirchenglieder verkünden nun einmal immer wieder eine Lehre, hinter der die eigene Praxis zurücksteht. Niemand kann über sich selbst, einen stets versagenden und sündhaften Menschen, predigen. Man kann nur den einen Glauben wieder- und weitergeben, der vom Gottmenschen stammt, ja den er persönlich gelehrt hat. Auch die Wahrheit ist also ein grundlegender Faktor für die Heiligkeit der Kirche, die dem VERBUM allzeit verbunden ist und sich allzeit auch der Verderbtheit - einschließlich der eigenen - widersetzt. (Fs)

131c Auf subjektive Weise, wie man es bezeichnen könnte, zeigt sich die Heiligkeit der Kirche auch im Heiligsein ihrer Glieder, d.h. all derer, die als lebendige Glieder des mystischen Leibes in der Gnade leben. Ferner tritt sie auf besondere, offensichtliche Weise in ihren heiliggesprochenen Gliedern hervor, die die Gnade und ihre eigenen Werke die senkrechten Stufen der Tugend hinauftreiben. Und hierzu möchte ich nochmals anmerken, daß diese Heiligkeit selbst in den Zeiten nicht ausblieb, als die christliche Gesellschaft und die Klerisei in tiefen moralischen Verfall geraten waren. So blühte sie doch gerade in dem Jahrhundert auf, in dem das Papsttum nach heidnischer Verkommenheit handelte. Als Beispiele dafür dienen Katharina von Bologna (+ 1464), Bernardino da Feltre (+1494), Katharina Fieschi von Genua (+1510), Franz von Paola (+ 1507), Johanna von Valois (+ 1503), dazu noch viele Reformer wie Girolamo Savonarola (+ 1498). (Fs)

131d Die angeführten Gründe und Fakten räumen jedoch nicht jeden Einwand aus dem Weg. Paul VI. pflichtete den Kritikastern darin bei, daß »die Kirche lange und viele Zeitabschnitte aufweist, die durchaus nicht erbaulich sind« (OR, 6. Juni 1972), unterschied jedoch nur unzulänglich zwischen objektiver Heiligkeit der Kirche und subjektiver Heiligkeit ihrer Glieder. In einer anderen Rede formulierte er es so: »Die Kirche müßte heilig sein und gut, müßte sein, wie Christus sie sich gedacht und sie konzipiert hat, doch bisweilen sehen wir, daß sie dieser Bezeichnung nicht würdig ist« (OR, 28. Februar 1972). Der Papst macht anscheinend aus einem objektiven Kennzeichen ein subjektives. Heilig sein müßten die Christen, und sie sind es in ihrer Eigenschaft als Begnadete, während die Kirche heilig ist. Nicht die Christen heiligen die Kirche, sondern umgekehrt: Die Kirche heiligt die Christen. Im übrigen paßt das Bibelwort von der untadeligen Heiligkeit der Kirche, die »ohne Makel oder Runzel« ist (Eph. 5,27), zur Kirche in der Zeit nur in partiellem Sinne, als etwas, das hier seinen Anfang nimmt. Gleichwohl ist auch die diesseitige Kirche heilig. Genaugenommen ordnen die Kirchenväter jene absolute Makellosigkeit nicht dem pilgernden, geschichtlichen Status der Kirche zu, sondern dem Status, der ihr nach der endgültigen eschatologischen Läuterung gegeben wird. (Fs)

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