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Autor: Amerio, Romano

Buch: Iota Unum

Titel: Iota Unum

Stichwort: Krisen der Kirche; Luther; Verneinung des katholischen Prinzips; Gewissen - Lehramt

Kurzinhalt: Da es sich um Ablehnung des Prinzips handelt, ist die lutherische Häresie theologisch unwiderlegbar. Ihr gegenüber befindet sich die katholische Apologetik in der Lage, wie sie der hl. Thomas von Aquin klar umrissen hat ...

Textausschnitt: 17. Verneinung des katholischen Prinzips in der lutherischen Lehre

22b Es geht nun darum zu erkennen, weshalb die Lehre Luthers in den weiten Bereich des katholischen Systems nicht einbezogen werden konnte, und inwiefern der Angriff nicht diesen oder jenen Folgesatz in Frage stellte, sondern direkt das Prinzip des Systems. (Fs)

22c Da es sich um Ablehnung des Prinzips handelt, ist die lutherische Häresie theologisch unwiderlegbar. Ihr gegenüber befindet sich die katholische Apologetik in der Lage, wie sie der hl. Thomas von Aquin klar umrissen hat (Summa theol. I, q. I, a.8): Sie kann die Einwände des Gegners zu Fall bringen, aber sozusagen nicht für den Gegner selbst, weil dieser das Prinzip ablehnt, von dem die Beweisführung ausgeht, um ihn zu widerlegen. Von Luther wird nämlich weniger dieser oder jener Artikel des Lehrgebäudes abgelehnt (natürlich tut er das auch) als vielmehr das Prinzip aller Artikel, d.h. die göttliche Autorität der Kirche. Bibel und Überlieferung haben für den Gläubigen nur deshalb Autorität, weil die Kirche beides in Besitz hat; sie besitzt das eine wie das andere nicht nur in dinglicher philologischer Hinsicht, sondern auch deren Sinngehalt, den sie in der Geschichte nach und nach entdeckt. (Fs)

23a Luther dagegen überläßt die Bibel und ihren Sinngehalt dem einzelnen Gläubigen, weist die Mittlerrolle der Kirche zurück und vertraut alles der privaten Erleuchtung an, indem er die Autorität der Institution durch die Unmittelbarkeit des alles beherrschenden Gefühls ersetzt. Das Gewissen entzieht sich dem Lehramt der Kirche, und das Empfinden des Einzelnen begründet, zumal wenn es ihn lebhaft überkommt, die über alle Norm erhabenen Rechte auf eine feste Überzeugung und die Äußerung der eigenen Gedanken. Wie der antike Pyrrhonismus im Bereich der philosophischen Erkenntnis, so geht der protestantische Pyrrhonismus im Bereich des religiösen Denkens vor. Die Kirche - der in der Geschichte und Moral unteilbare Leib des Gottmenschen Christus - wird ihres auf Autorität beruhenden Wesens beraubt, während die Lebendigkeit des subjektiven Empfindens »Glaube« genannt und zur unmittelbaren Gnadengabe gemacht wird. Durch die beherrschende Stellung des Gewissens wird allen Glaubensartikeln die Grundlage entzogen, weil diese, je nachdem, ob das Einzelgewissen ihnen zustimmt oder nicht, stehen oder fallen. Somit wird das Prinzip des Katholizismus, die göttliche Autorität, entwurzelt und mit ihm die Glaubensdogmen: Nunmehr verleiht nicht die göttliche Autorität der Kirche den Dogmen Geltung, sondern das subjektive und individuelle Empfinden. Und wenn Häresie bedeutet, daß man an einer Wahrheit nicht deshalb festhält, weil sie offenbar wurde, sondern weil sie der subjektiven Erkenntnisfähigkeit entspricht, so kann man feststellen, daß im Luthertum der Begriff »Glaube« als ganzer in den Begriff »Häresie« umgewandelt wird, weil das göttliche Wort nur Aufnahme findet, sofern es die Gestalt der individuellen Überzeugung annimmt. Nicht die Sache gebietet Zustimmung, sondern die Zustimmung verleiht der Sache Wert. Außerdem läßt die einer solchen Auffassung innewohnende Logik die Kritik vom theologischen Prinzip der göttlichen Autorität her zur Kritik vom philosophischen Prinzip der Vernunftautorität her werden. Dieser sich a priori aus der Logik zwangsläufig ergebende Vorgang ist a posteriori bezeugt durch die geschichtliche Entwicklung des deutschen Denkens bis hin zu den absolutesten Formen des Immanenzrationalismus. (Fs)

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