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Autor: Amerio, Romano

Buch: Iota Unum

Titel: Iota Unum

Stichwort: Krisen der Kirche; Nizäa; Arianismus

Kurzinhalt: Die Krise von Nicäa bedeutet die Trennung des Dogmas von der Philosophie und die Ausrichtung des Christentums als übernatürliche und vom Mysterium getragene Religion.

Textausschnitt: 13. Die Krise von Nicäa (325 n. Chr.)

15b Die Krise von Nicäa bedeutet die Trennung des Dogmas von der Philosophie und die Ausrichtung des Christentums als übernatürliche und vom Mysterium getragene Religion. Der Arianismus war nämlich der Versuch, die Einmaligkeit des Ur-Kerygma durch dessen Einbeziehen in die breite gnostische Bewegung zu verwässern. Letztere räumte, indem sie aus den Seinsstufen von der Hyle bis zum Nous ein allgemeines Schema der Wirklichkeit herstellte, den Schöpfungsgedanken aus dem Wege und gab die Transzendenz auf. Daß das Wort nicht eines Wesens mit dem Vater, sondern diesem nur ähnlich sei, befriedigte zwar das Verlangen menschlichen Fassungsvermögens, beseitigte aber das Spezifikum des Glaubens, der von einem Wesen kündet, für das diese beiden Sätze gelten: Dieses Wesen hier ist Mensch und Dasselbe Wesen ist Gott. Mit den Definitionen des Konzils von Nicäa und den Folgekonzilen von Ephesus (431) und Chalzedon (451) hebt sich die Kirche ab von der antiken Vorstellung von Gott als dem vollkommenen Menschen und der Religion als Kult innerweltlicher Werte unter Ausschluß jegliches Außerweltlichen. Christus konnte nicht Gott sein nach Art Caesars oder der göttlichen Augusti oder der unsterblichen Götter Epikurs, die vollkommen und glückselig, jedoch von einer dem Menschen gleichgearteten Substanz waren. Er konnte kurzum nicht der sein, über den die Philosopheme nie hinausgegangen waren, sondern mußte geradezu derjenige sein, der von jedem anderen verschieden und ihm doch nicht fremd ist, wie ihn keine Philosophie je erdacht, oder den die Philosophie, hätte ihn tatsächlich die Vorstellung ersonnen, als Torheit abgetan hätte. Gott hört also auf, der unerreichbarste Grad einer dem Menschen und dem Gott gemeinsamen Vollkommenheit zu sein, vielmehr ist er eine alles Menschliche übersteigende Wesenheit. Gottmensch wird Christus genannt nicht nach heidnischer Vorstellung, etwa im Sinne einer größtmöglichen Angleichung an die Vollkommenheit Gottes oder aufgrund einer Art inniger moralischer Verbundenheit mit Gott (Nestorius), ebensowenig nach Art des stoischen Paradoxon, wonach der Weise Gott gleich sei, ja ihn sogar überrage, weil Gott von Natur aus glückselig sei, während der Weise aus sich selbst heraus glückselig werde. Christus ist ontologisch Mensch und Gott zugleich, und somit ist seine ontologische gottmenschliche Beschaffenheit ein Mysterium. (Fs)

16a Daß das Mysterium durchaus nicht der Vernunft widerspricht, erhellt aus der von der neuen Religion eingebrachten Vorstellung vom göttlichen Sein als »Monotriade« (Einheit in der Dreiheit), in deren Schoß das Unendliche mit sich selbst als Unendlichem im Denken und in der Liebe verbunden ist und sich mithin jenseits der Grenzen befindet, in denen der geschaffene Verstand waltet. Man verletzt also das Anrecht der Vernunft auf das Übernatürliche, wenn man ihr verwehrt, sich der VERNUNFT schlechthin unterzuordnen. Ja, durch das Verwehren einer solchen Unterordnung verwehrt man der Vernunft im Grunde, sich selbst zu kennen, weil man sie auf diese Weise hindern würde, Kenntnis von ihrer Begrenztheit zu nehmen und folglich etwas jenseits der eigenen Grenzen Befindliches zu erkennen. (Fs)

17a Die Krise von Nicäa ist also ein wirklich ausschlaggebendes Moment in der Religionsgeschichte, und da jede Krise eine Wesenheit einerseits vom Andersartigen löst, andererseits den der Wesenheit eigenen Typus bewahrt, läßt sich gleichermaßen feststellen, daß in Nicäa die christliche Religion schlechthin erhalten blieb. (Fs)

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