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Autor: Amerio, Romano

Buch: Iota Unum

Titel: Iota Unum

Stichwort: Kirche: Leugnung der Krise; Unterschied: absolute, ordentliche Potenz

Kurzinhalt: Es fehlt nicht an Leuten, allerdings sind es wenige, die die gegenwärtige Verwirrung in der Kirche verneinen, und an solchen, die diesen Zeitabschnitt geradezu als einen der Erneuerung und Blüte betrachten.

Textausschnitt: 6. Das Leugnen der Krise. Weitere Überlegungen

5c Es fehlt nicht an Leuten, allerdings sind es wenige, die die gegenwärtige Verwirrung in der Kirche verneinen, und an solchen, die diesen Zeitabschnitt geradezu als einen der Erneuerung und Blüte betrachten. Die Leugnung der Krise könnte sich auf einige Ansprachen Pauls VI. stützen, die aber von mindestens ebensovielen Worten, die nach dem Gegenteil klingen, ausgeglichen und in den Schatten gestellt werden. Ein einzigartiges Dokument päpstlichen Denkens ist die Rede vom 22. Februar 19701. Der Papst gibt zunächst zu, daß der Glaube Rückschläge erleide, um dann zu versichern, es sei jedoch »ein Fehler, beim menschlichen und soziologischen Aspekt zu verweilen, weil die Begegnung mit Gott sich aus Prozessen ergeben kann, die über rein wissenschaftliche Erwägungen hinausgehen: Die Zukunft liegt außerhalb jeder unserer Vorkehrungen«. Anscheinend wird hier das Wirken Gottes aus absoluter Potenz, wie die Theologen es bezeichnen, mit seinem Wirken aus ordentlicher Potenz, d.h. innerhalb der von ihm nach freiem Ratschluß gestifteten und real existierenden Natur- und Heilsordnung, verwechselt2. Aufgrund dieser Verwechslung wird das Problem der Krise umgangen. Kommt nämlich die Idee von einer Tat ins Spiel, die Gott außerhalb der von ihm so gewollten Ordnung vollbrächte, wird es unmöglich zu beklagen, was in der Religion, sieht man sie geschichtlich, beklagenswert ist: eben die Krise. Daß »die Begegnung mit Gott trotz der Unempfänglichkeit für den Glauben geschehen könne«, ist sehr richtig, doch es tut nichts zur Sache. Wenn man das ins Auge faßt, wozu Gott aus absoluter Potenz fähig ist, geht man zur Thaumatologie über. Dann kann es so weit kommen, daß der Widerspruch außer acht gelassen und behauptet wird, wie es der Papst in einer anderen Ansprache tut: »...je weniger aufgeschlossen der moderne Mensch für das Übernatürliche ist, desto aufgeschlossener ist er«. Warum sollte er auch nicht, wenn man nur die absolute Potenz Gottes erwägt? (Fs) (notabene)

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