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Autor: Lortz, Joseph

Buch: Die Reformation in Deutschland

Titel: Die Reformation in Deutschland

Stichwort: Reformation - Voraussetzungen; Geschichte: Sinn, Notwendigkeit, felix culpa, Reformation; Liberalismus

Kurzinhalt: Die Aufweisung eines tiefen historischen Sinnes entscheidet noch nicht über Wahrheit oder Irrtum, Verdienst oder Schuld

Textausschnitt: 3c
2. Geschichte lohnt das Studium nur, soweit sie denkend begriffen wird. Ihre Ereignisse müssen aus dem Zustand des mehr oder minder willkürlichen Auftauchens im Strom der Zeiten und des nur episodenhaften Daseins und Versinkens herausgehoben werden. Es muß sichtbar werden, daß dem geschichtlichen Inhalt und Ablauf eine gewisse innere Notwendigkeit eignet. Nicht eine absolute Notwendigkeit, aber eine solche, die das Erscheinen des geschichtlichen Faktums aus gewissen, früher liegenden Vorgängen mit innerer Konsequenz erwarten läßt und dadurch wiederum sein Vordringen ermöglicht. Ein solcher Nachweis erklärt das Kommen eines geschichtlichen Ereignisses, er rechtfertigt noch nicht seinen Inhalt. Nur eine naive materialistische und fatalistische Geschichtsdeutung vereinfacht das Problem in der Weise, als ob große Ereignisse der Menschheitsgeschichte ihre absolute, metaphysische Rechtfertigung immer schon in sich selber trügen. Lediglich eine relativistisch erweichte, der eigenen Kraft nichts zutrauende Haltung glaubt die Ehrfurcht vor jedem Großen in der Geschichte nur durch vorbehaltloses - wenn auch zeitlich beschränktes - Bejahen erreichen zu können. Im Gegensatz zu solchen Auffassungen läßt eine christliche und damit tief menschliche Beurteilung im geschichtlichen Faktum durchaus Raum für subjektives Verdienst oder subjektive Schuld des Menschen, und sie gibt infolgedessen die Möglichkeit, in voller Ehrfurcht, ja in bewußter Schicksalsgemeinschaft auch vor einer Vergangenheit zu stehen, mit der sie ins Gericht geht. Die Aufweisung eines tiefen historischen Sinnes entscheidet noch nicht über Wahrheit oder Irrtum, Verdienst oder Schuld. Die entgegenstehende Behauptung gehört zum Wesen des dogmenlosen und deshalb ewig schwankenden Liberalismus. Vielmehr, weil auch der Irrtum seine große positive Rolle in der Geschichte spielt, weil die 'felix culpa' sogar zu den tragenden Kräften der Geschichte gehört, ist zu bekennen, daß es historische Sinnerfülltheit gibt, die inhaltlich nicht die Wahrheit vertritt. Ursache und Schuld sind nicht dasselbe. Schuld schließt immer die Ursache ein. Ursache kann die Schuld einschließen, sie muß es nicht. (Fs) (notabene)

4a Erst von dieser Plattform aus wird eine wesentliche Kritik an weltumstürzenden, siegreichen Bewegungen möglich. Zu ihnen gehört die Reformation. Umgekehrt: Wer die Reformation allein schon durch ihr Dasein für gerechtfertigt im letzten Sinne ausgibt, liefert das Christentum an den ewigen Wandel des Geschichtlichen aus, muß auf seine Absolutheit verzichten. (Fs)

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