Datenbank/Lektüre


Autor: May, Georg

Buch: Reformation und deutsche Bischöfe

Titel: Reformation und deutsche Bischöfe

Stichwort: Reformation, deutsche Bischöfe - die Last der fürstlichen Würde

Kurzinhalt: Die deutschen Bischöfe des 16. Jahrhunderts hatten fast allesamt eine Doppelstellung; sie waren gleichzeitig Oberhirten eines Bistums und Landesherren eines mehr oder weniger ausgedehnten Gebietes, ...

Textausschnitt: 5. Die Last der fürstlichen Würde

72a Die deutschen Bischöfe des 16. Jahrhunderts hatten fast allesamt eine Doppelstellung; sie waren gleichzeitig Oberhirten eines Bistums und Landesherren eines mehr oder weniger ausgedehnten Gebietes, also Fürstbischöfe. Diözese und Hochstift deckten sich nicht. Das Stift bildete regelmäßig nur einen (kleinen) Teil des Bistums oder lag sogar weitgehend außerhalb desselben. Die zweifache Würde der Bischöfe brachte Vor-und Nachteile mit sich. Einmal war der Besitz eines Gebietes, über das ein Bischof als Landesherr regierte, regelmäßig ein Faktor, der ihm (gewöhnlich bescheidene) Macht und Finanzmittel einbrachte. In diesem Gebiet trat er den Einwohnern in doppelter Eigenschaft, als geistlicher Hirt und weltlicher Fürst, gegenüber, was seine Stellung als Bischof jedenfalls in gewisser Hinsicht verstärkte. Denn er konnte seine geistlichen Anordnungen mit den Mitteln des weltlichen Amtes durchsetzen lassen. Die Bischöfe betrachteten regelmäßig das Hochstift als die Grundlage ihrer Existenz. Sie waren überzeugt, daß sie nicht mehr würden Bischöfe sein können, wenn sie aufhörten, Fürsten zu sein. Manche trachteten darum die Religionsneuerung allein oder hauptsächlich deswegen von ihrem Gebiet fernzuhalten, weil sie ihre eigene Stellung durch sie gefährdet sahen. Umgekehrt suchten die Religionsneuerer mit dem Reichsfürstenstand der Bischöfe gleichzeitig den katholischen Glauben zu vernichten. Für die Erhaltung der katholischen Kirche in Deutschland mußte den Territorien der geistlichen Fürsten entscheidende Bedeutung zukommen. Denn angesichts des Abfalls der Mehrzahl der weltlichen Fürsten lag das Schwergewicht des Katholizismus nunmehr in ihren Gebieten. Brach der Glaube in den geistlichen Fürstentümern zusammen, mußte ganz Deutschland der Irrlehre verfallen. (Fs)

72b Zum anderen war die weltliche Regierung der Hochstifte, die den Bischöfen oblag und die doch in vielen Diözesen wenigstens Reste des Katholizismus erhalten hat, zugleich eine schwere Bürde. Zeitgenossen bestätigen, daß die Sorge für die zeitlichen Angelegenheiten viele Bischöfe derart mit Beschlag belegten, daß sie das Amt des Bischofs auch nicht entfernt wahrnahmen; sie vermochten kaum die Hälfte ihrer Zeit und Kraft ihrem geistlichen Dienst zu widmen. Die Position als weltliche Regenten war aber auch vielen wichtiger als ihre kirchliche Sendung. So mancher Fürstbischof sah in seiner Stellung als Landesherr ein Alibi dafür, daß er sich seinen geistlichen Pflichten persönlieher und amtlicher Art entzog. Kaiser Maximilian II. beklagte nach dem Bericht Morones vom 19. Juni 1576 die Nachlässigkeit der Bischöfe, welche die Hirtensorge hinter den zeitlichen Angelegenheiten zurücktreten ließen und damit dem Volk ein schlechtes Beispiel gäben. Das Amt des Landesherrn verführte sodann manchen Bischof dazu, allzu sehr an die Stärkung oder die Versorgung der Familie zu denken, der er entstammte. Bei nicht ganz wenigen fürstlichen Inhabern von Bischofsstühlen hatte die Hauspolitik den Vorrang vor den geistlichen Pflichten. Weiter bestanden vielfach in den Hochstiften Konflikte zwischen dem bischöflichen Herren und den Landständen. Zahlreiche Mitglieder der letzteren wechselten aus Opposition gegen den Bischof die Religion; der politische Hintergrund so manches Konfessionswechsels ist eindeutig. Die Abhängigkeit von den Landständen und das Bemühen, die landesherrliche Stellung zu behaupten, verführte einzelne Bischöfe zu unzulässigen Konzessionen. In einigen Fällen verstanden sich Bischöfe (wie weltliche Fürsten) dazu, den Landständen gegen Geldbewilligung die Ausübung der lutherischen Religion zuzugestehen. Ganz allgemein ist festzustellen, daß die Landstände in den Hochstiften eine bedeutsame Rolle bei Fortschritt oder Abwehr der Irrlehre spielten. Die Einstellung und das Verhalten des Domkapitels, des Landadels und der Reichsritter konnten das Vorgehen des Bischofs in hohem Maße hemmen oder fördern, vereiteln oder zum Erfolg führen. Die fortwährenden Kämpfe - gegen die aufrührerischen Bauern und gewalttätige Ritter und Fürsten - hinderten die Bischöfe daran, ihre und ihrer Hochstifte Macht voll zur Bekämpfung der Irrlehre einzusetzen. Das Amt des Fürsten, das die Bischöfe innehatten, bot schließlich an sich bis zu einem gewissen Grade die Gewähr, daß es in Ausbildung und Erziehung berücksichtigt wurde, daß die künftigen Bischöfe also wenigstens grundsätzlich für das Regieren vorbereitet wurden und daß auch bei der Auswahl der Personen, die für das Amt des (Fürst-)Bischofs in Frage kamen, wenigstens prinzipiell bedacht wurde, daß seiner Regierungsaufgaben warteten. Dennoch waren viele Bischöfe ihrer Aufgabe als Landesherren nicht gewachsen. Sie besaßen weder die erforderlichen Eigenschaften noch die notwendigen Kenntnisse, um ein Territorium zu regieren. Manche waren sogar in der maliziösen Absicht erkoren worden, ihre fehlende Begabung für die Regierungsaufgaben werde die Macht beim Domkapitel (und bei den übrigen Landständen) belassen. Mangelndes Talent und fortwährende Plackereien ließen manche Bischöfe ihrer fürstlichen Würde überdrüssig werden. Mancher Bischof des 16. Jahrhunderts hat sich danach gesehnt, von der Bürde seines weltlichen Amtes frei sein und sich allein den geistlichen Aufgaben widmen zu dürfen. (Fs)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt