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Autor: May, Georg

Buch: Reformation und deutsche Bischöfe

Titel: Reformation und deutsche Bischöfe

Stichwort: Reformation, deutsche Bischöfe - der (falsche) Trost der neuen Lehre

Kurzinhalt: Luther erklärte, daß keine Sünde das Gewissen zu beunruhigen brauche außer der Unglaube.

Textausschnitt: 2. Der (falsche) Trost der neuen Lehre

46b Wenn die strenge Wahrheit und der behagliche Irrtum in Konkurrenz zueinander treten, bleibt gewöhnlich die erste auf der Strecke. Die Lehre Luthers beseitigte aus der katholischen Glaubenslehre jene Wahrheiten, die den Menschen erschrecken, beunruhigen und ängstigen können. Aus der Bibel suchte man die Stellen heraus, die der Menge angenehm in den Ohren klangen, und überging andere, die sie in Furcht versetzt hätten. Das Wittenberger "Evangelium" wurde von der Masse zumindest aufgefaßt als Theologie des Trostes ohne Zorn, ohne Drohung und ohne Strafe. Die protestantische "Trosttheologie" verstand es, dem ärgsten Sünder mit Leichtigkeit Gewissensruhe zu verschaffen. Der Trost, den Luther spendete, war jedoch ein falscher Trost, weil er darauf beruhte, daß den Menschen wesentliche Bestandteile der katholischen Lehre vorenthalten wurden. (Fs)

47a Im einzelnen sah die protestantische Trosttheologie wie folgt aus. Die Sünden wurden bagatellisiert. Luther erklärte, daß keine Sünde das Gewissen zu beunruhigen brauche außer der Unglaube. Nach Erteilung der Sündenvergebung schade nichts, "wie viel, groß, oft gesündigt werden mag". Angesichts dieser Stelle fragt selbst der Protestant Wilfried Joest, ob Luther hier nicht das tue, was Paulus in Rom 6,15 verwirft, und beurteilt solche Worte als "theologische Entgleisungen". Selbstverständlich hatte diese Lehre einen großen Erfolg. Georg Witzel schrieb 1537: "Je weltlich gesinnter und fleischlicher einer ist, desto schneller schließt er sich dieser Sekte an, in der dem alten Adam zu tun gestattet ist, was in der Kirche für schwere Sünde galt."

47b Die Vergebung der Sünden war jetzt leicht und bequem. Durch einen einzigen Glaubensakt konnte sofort und ohne weiteres die tröstliche Gewißheit der göttlichen Verzeihung erlangt werden. Trostreich war es, daß kein vollständiges Bekenntnis der schweren Sünden nach Art und Zahl zur Nachlassung der Sünde nötig sein sollte. An die Stelle der Einzelbeicht trat ein allgemeines Sündenbekenntnis, und die "Absolution" wurde über alle zugleich gesprochen. Als trostreich wurde Luthers Verwerfung der (regelmäßig anstrengenden) Genugtuung bei der Buße empfunden. Es war trostreich, von Luther zu hören, daß Gott jedem, dem er die Schuld nachläßt, auch die Strafe erlasse. (Fs)

47c Einen gewaltigen Erfolg hatte die Irrlehre mit ihrem Fiduzialglauben, d. h. dem subjektiven Erlebnis, daß man die Gerechtigkeit Christi erworben habe; jeder Zweifel daran und jede Ungewißheit wurde verworfen. Die Verkündigung der Heilssicherheit tat den Menschen wohl und übte große Anziehungskraft auf sie aus. Das Gottesbild Luthers war bequemer als das katholische. Er nahm den Menschen mit seinen Aufstellungen die (begründete) Furcht vor der Verdammnis und beseitigte den Glauben an das Fegfeuer, dessen Leiden vielen Menschen Ängste bereitet und sie zu Guttaten angespornt hatten. Luther befreite die Menschen von der Sorge, sie könnten sich nicht genügend anstrengen, um für ihr Heil zu wirken. Buße, Aszese und Abtötung wurden als überflüssig, ja verderblich hingestellt oder wenigstens verstanden. Die Leugnung des freien Willens hörte sich gut an; denn sie schien den Menschen seiner Verantwortlichkeit zu entheben. (Fs)

47d Die katholische Lehre, wonach die Kommunion lediglich für den richtig disponierten, d. h. durch Empfang des Bußsakramentes von schweren Sünden gereinigten Gläubigen bestimmt sei, wurde verworfen. Zum Abendmahl konnte man jetzt ohne Beichte, mit Sünden beladen, gehen, denn nach der Ansicht der Neuerer war es eingesetzt, damit man sich durch die Teilnahme an ihm Vergebung der Sünden hole. Um die begeisterte Annahme dieser Lehre zu begreifen, braucht man sich nur die Kommunionpraxis in der katholischen Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und die dazugehörigen Bußandachten anzusehen. Unangenehm waren die Kirchenstrafen, die von der mittelalterlichen Kirche häufig, zu häufig verhängt wurden. Luther wußte auch hier Rat, indem er (zunächst) die Exkommunikation als kraftlos erklärte. (Fs)

48a Der Erfolg dieser Theologie eines falschen Trostes war ungeheuer. "Nichts empfahl die neue Lehre bei Hohen und und Niedrigen, Gelehrten und Ungelehrten, Jungen und Alten mehr, als daß sie so überaus tröstlich war" (Ignaz Döllinger). (Fs)

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