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Autor: May, Georg

Buch: Reformation und deutsche Bischöfe

Titel: Reformation und deutsche Bischöfe

Stichwort: Reformation, deutsche Bischöfe - Warten auf das Konzil

Kurzinhalt: Nichts hat der katholischen Sache so sehr geschadet wie das Abwarten, Zögern und Aufschieben. Zu viele Männer der Kirche empfahlen ein geduldiges und mildes Verhalten gegenüber den Neuerern.

Textausschnitt: 3. Das Warten auf das Konzil

21c Nichts hat der katholischen Sache so sehr geschadet wie das Abwarten, Zögern und Aufschieben. Zu viele Männer der Kirche empfahlen ein geduldiges und mildes Verhalten gegenüber den Neuerern. Vor allem der unheilvolle Einfluß des Erasmus von Rotterdam, der zum Dulden, Abwarten und zu Gesprächen riet, lähmte viele auf katholischer Seite. Da sollten die Reichstage die Lösung der Streitfragen bringen, oder es wurden Aussichten auf Beilegung des Zwistes durch die Zusammenkunft von Fürsten eröffnet, oder man sah in Religionsgesprächen das geeignete Mittel für den Ausgleich. Manche hofften auf die Einsicht und die Umkehr von Männern wie Melanchthon und Butzer und warnten davor, die angeblich darauf hinlaufende Entwicklung zu stören. Immer wieder machte man sich Hoffnungen und nährte Erwartungen, die niemals in Erfüllung gehen konnten, die aber die Verantwortlichen von der Verpflichtung, zu handeln, scheinbar entbanden. Man vergaß die alte Erfahrung, die Friedrich II. von Preußen später in die Worte faßte: "Hoffnungen dienen zu nichts, als bloß zu Lahmlegung aller Tätigkeiten in dem Kriege wie in der Politik."

22a Dies gilt vor allem für die Eröffnung des so oft und so nachdrücklich geforderten Allgemeinen Konzils. Daß das Konzil lange Zeit nicht zusammentrat, war für viele altkirchliche Kräfte ein Grund oder ein Vorwand, die Hände in den Schoß zu legen und nichts zu tun. Wir haben in unserer Zeit erlebt, wie viele Bischöfe und Priester von einem Konzil die Lösung der Fragen erwarteten, die allein ihr eigener schonungsloser Einsatz hätte herbeiführen können, und wie das Konzil nicht der Beginn der Erneuerung, sondern das Signal eines beispiellosen Zusammenbruchs wurde. Ähnlich war es im 16. Jahrhundert. Indem die katholischen Stände oft und oft erklärten, keine Änderung im Gottesdienst bis zu dem Konzil vornehmen zu wollen, schwächten sie ihre Position. Denn sie gaben damit zu, daß evtl. halt doch etwas geändert werden könne oder müsse, und lieferten so den Lutheranern das Stichwort für deren triumphierende Behauptung, sie hätten eben die notwendigen Änderungen schon vorgenommen. Die Gegner der Kirche dachten nicht daran, bis zum Zusammentritt des Konzils still zu halten und das Weitertreiben der Neuerung zu unterlassen. Daß die Päpste lange Zeit besorgt den Ruf nach dem Konzil vernahmen, ist bekannt, aber auch verständlich. Schließlich ermutigten die Erfahrungen aus dem 15. Jahrhundert nicht gerade zu seiner Einberufung. Die vielen verweltlichten deutschen Bischöfe hatten an einem Konzil, das, wie sie fürchteten, auch sie nicht mit einschneidenden Reformen verschonen würde, kein Interesse. Außerdem waren die Erwartungen, die sie an diese Versammlung stellten, sehr verschieden und teilweise gegensätzlich. Vor allem aber war es eine Illusion, darauf zu hoffen, das Konzil könne die Glaubensspaltung beseitigen. Wer von dem Konzil die Wiedervereinigung der Protestanten mit der Kirche erwartete, verkannte das Wesen der lutherischen Bewegung. Denn bei ihr ging es nicht um die Beseitigung von Mißständen und die Korrektur der einen oder anderen Lehrmeinung, sondern um einen Angriff auf das Zentrum des katholischen Christentums. Es ist unerweislich, daß diejenigen, welche die Entscheidungen früherer Konzilien über den Haufen warfen, sich an die Beschlüsse eines neuen Konzils hätten halten wollen. Seit der Leipziger Disputation mußte jedem nüchternen Beobachter klar sein, daß sich Luther niemals der Autorität eines katholischen Konzils unterwerfen würde. Diese Erwartung wurde durch seinen theologischen Ansatz ausgeschlossen. Es war ja gerade das Prinzip Luthers, daß er an die Stelle jeder anderen kirchlichen Autorität seine eigene setzte. In der Bulle "Exsurge Domine" steht der richtige Satz, daß jener vergeblich die Hilfe des Konzils anrufe, der öffentlich bekenne, daß er dem Konzil nicht glaube. Die von einem Konzil erhoffte Befriedung konnte angesichts der unaufhebbaren Gegensätze in der Lehre nicht eintreten; sie lag auch gar nicht in der Absicht der Protestanten. Der Nuntius Pighino erklärte am 5. November 1548 richtig, die Urheber und Wortführer des Protestantismus könnten Frieden in der Kirche nicht gebrauchen, weil sie dann die Autorität und den Kredit beim Volke verlören. (Fs)

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