Datenbank/Lektüre


Autor: Gehlen, Arnold

Buch: Die Seele im technischen Zeitalter

Titel: Die Seele im technischen Zeitalter

Stichwort: Ausbreitung der experimentellen Denkart; Malerei, Auflösung des Gegenständlichen (Impressionismus, Pointillismus)

Kurzinhalt: Es lag ja seit Jahrzehnten in ihrer Entwicklung vom Impressionismus her über Cezanne auf der einen Seite, Seurat auf der anderen, ... eine unverkennbare Logik

Textausschnitt: 30a Ganz analog nun tritt das Technische in diesem Sinne in den Künsten und Wissenschaften in den Vordergrund, und das Experimentelle, Methodentechnische wird unübersehbar. (Fs)

30b Diese bemerkenswerte Tatsache läßt sich ganz gut an der Entwicklung der modernen Malerei illustrieren. Es lag ja seit Jahrzehnten in ihrer Entwicklung vom Impressionismus her über Cezanne auf der einen Seite, Seurat auf der anderen, weiter zum Expressionismus, Kubismus bis hin zur »abstrakten« Malerei und zum Surrealismus Max Ernsts oder Dalis eine unverkennbare Logik, die zunächst einmal in der Auflösung des Gegenständlichen erscheint. Diese selbst wieder ist aber doch eher ein Resultat noch tiefer liegender Veränderungen. Einmal nämlich drangen gewisse je zeitgenössische Theorien und Ansichten meist psychologischer Art in die Köpfe der Künstler ein, und so wechselten die Meinungen über die Grundqualitäten des Optisch-Malerischen, wobei schon der Impressionismus zu einer farbigen Auflösung der faßbaren Dinglichkeit kam, die unabtrennbar ist von den damaligen Anschauungen der Empfindungs- und Assoziationspsychologie. Im »Pointillismus« Seurats ist der psychologiewissenschaftliche Einschlag unübersehbar, und dieser stieg weiter im Expressionismus und Surrealismus, aus dem nunmehr bereits die Psychoanalyse nicht mehr wegzudenken ist. Auf einem zweiten Wege kam es zur Isolierung der sogenannten »Bildelemente«, sei es mehr formaler oder mehr farblicher Art, und hier markieren die zeitgenössischen Abstrakten die Endstelle, den Abschluß, den Kehraus. Aus dieser kurzen Darstellung geht hervor, wie die zusammenschießenden Meinungen und Theorien sich jeweils zu einer Methode niederschlugen, die nun so lange gehandhabt wurde, bis alle Möglichkeiten durchgespielt waren. Diese selbst aber drängen nach eigener Logik weiter, und die Künstler scheinen den Effekten mehr nachzulaufen, um sie einzufangen, als daß sie sie noch in der Hand hätten. Die gesamte Geschichte der neueren Malerei bietet daher das Bild durchvariierter Möglichkeiten, wie die Experimentalserien der Chemiker. Das jeweils Ausgeschöpfte wird abgebucht, man kommt darauf nicht mehr zurück. Dieses Experimentelle wird bei Picasso überdeutlich, bei dessen endlosen Bildern man nicht auf den Gedanken kommt, daß Wege zu einem Ziel gesucht werden, sondern nur auf den umgekehrten: daß Verfahrenspläne durchprobiert werden aus dem Interesse, was dabei herauskommt. Das ist aber wissenschaftlicher, das ist auch technischer Geist, und bei den guten modernen Künstlern, d. h. denjenigen, die intellektuell ihrem Verfahren gewachsen sind, wird auch, wie Benn es ausdrückte, mikroskopiert, geprüft, gefärbt und das Resultat vorgelegt.* (Fs)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt