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Autor: Schelsky, Helmut

Buch: Soziologie der Sexualität

Titel: Soziologie der Sexualität

Stichwort: Sexualität; Konventionalisierung, Konvention 5; Konventionalität der Freiheit u. des Non-Konformismus

Kurzinhalt: Daß junge Menschen ein <Verhältnis> haben, wird in der amerikanischen Sitte des Dating schon sehr früh durchaus zum konventionellen Zwang mit allen Charakteristiken des sozialen Prestiges im einen, der sozialen Verachtung im anderen Falle.

Textausschnitt: 116a
5. Neben die Konvention der Individualität tritt die Konventionnalität der Freiheit in unserer Gesellschaft, ja sie ist wohl nur noch eine Variation und zusätzliche Schattierung der bereits erwähnten Formen der Konventionalisierung der Seele des modernen Menschen durch die Popularisierung der sie deutenden und reflektierenden Wissenschaften. Auf sexuellem Gebiet ist der gesellschaftliche Druck zur Freiheit zwischen den Geschlechtern und zur sexuellen Freizügigkeit gar nicht zu übersehen: Daß junge Menschen ein <Verhältnis> haben, wird in der amerikanischen Sitte des Dating schon sehr früh durchaus zum konventionellen Zwang mit allen Charakteristiken des sozialen Prestiges im einen, der sozialen Verachtung im anderen Falle. <Das junge Mädchen, das sich in Zärtlichkeiten mit Männern oder gar in 'freie Liebe' einläßt, kann genau so unter konventionellem Zwange handeln, wie es ihre Tanten und Großtanten taten, wenn sie jungen Männern mit steifsten Förmlichkeiten entgegentraten (Harding, 83, S. 227). Der Abbau der Prüderie schlägt um in den Zwang zur sexuellen Freizügigkeit, will man nicht von der Gesellschaft als anomal verdächtigt werden; die Interpretationen dieses sozialen Normalanspruches stellen die zur öffentlichen Meinung gewordenen Sexualtheorien bekannter Art. (Fs)

117a Als eine besondere Form dieser erzwungenen Freiheit auf sexuellem Gebiet, dieser zeittypischen Konventionalisierung des Non-Konformismus, ist wohl die Art zu betrachten, in der unsere Gesellschaft bereit ist, die sexuell abnormen Verhaltensweisen hinzunehmen oder gar zu übernehmen. Auch diese stammt keineswegs aus einer echten Toleranz, die den gesellschaftlichen Anspruch auf Konformität durch das Prinzip der Achtung vor der Eigenheit der Person oder des Privatlebens des anderen begrenzt, sondern aus dem vagen Druck psychologischer Popularisierungen, daß eine Aburteilung oder Ablehnung solcher Verhaltensweisen die Unfähigkeit zu einer gesellschaftlich geforderten Verständnis- und Bildungsstufe, also Banausentum, demonstrieren würde. Nicht das abnorme Verhalten, sondern seine schlichte Bewertung als solches erscheint mehr und mehr suspekt. (Fs)

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