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Autor: Ratzinger, Josef

Buch: Einführung in das Christentum

Titel: Einführung in das Christentum

Stichwort: Auswege: Subordinatianismus (konstitutionelle Monarchie), Monarchismus (Modalismus); Hegel, Schelling; Geschichte -> Sinn (Marx) -> Mythos -> politische Theologie

Kurzinhalt: Der so genannte Subordinatianismus entflieht dem Dilemma dadurch, dass er sagt: ...

Textausschnitt: c) Die Ausweglosigkeit der Auswege.

155b Das ganze, viel verästelte Ringen der ersten Jahrhunderte lässt sich im Licht des bisher Bedachten auf die Aporetik zweier Wege zurückführen, die mehr und mehr als Nicht-Wege erkannt werden mussten: Subordinatianismus und Monarchianismus. Beide Lösungen scheinen logisch, und beide zerstören mit ihrer verführerischen Vereinfachung doch das Ganze. Die kirchliche Lehre, wie sie uns in dem Wort vom drei-einigen Gott gegeben ist, bedeutet im Grunde den Verzicht auf den Ausweg und das Stehenbleiben im Geheimnis, das dem Menschen nicht errechenbar ist: In Wahrheit ist dieses Bekenntnis der einzig wirkliche Verzicht auf die Anmaßung des Bescheidwissens, das die glatten Lösungen mit ihrer falschen Bescheidenheit so verführerisch macht. (Fs)

156a Der so genannte Subordinatianismus entflieht dem Dilemma dadurch, dass er sagt: Gott selbst ist nur ein einziger; Christus ist nicht Gott, sondern nur ein Gott besonders nahes Wesen. Damit ist der Anstoß behoben, aber die Folge ist - wie wir vorhin ausgiebig bedachten -, dass der Mensch von Gott selbst abgeschnitten und ins Vorläufige versperrt wird. Gott wird gleichsam zum konstitutionellen Monarchen; der Glaube hat nicht mit ihm, sondern nur mit seinen Ministern zu tun1. Wer das nicht will, wer wirklich an die Herrschaft Gottes, an das »Größte« im Kleinsten glaubt, wird daran festhalten müssen, dass Gott Mensch ist, dass das Sein Gottes und des Menschen ineinander treten, und wird so mit dem Glauben an Christus den Ausgangspunkt der Trinitätslehre annehmen. (Fs)

156b Der Monarchianismus, dessen Lösung wir vorhin bereits berührt haben, löst das Dilemma in der umgekehrten Richtung auf. Auch er hält streng die Einheit Gottes fest, nimmt aber zugleich den begegnenden Gott ernst, der als Schöpfer und Vater zuerst, als Sohn und Erlöser in Christus dann und endlich als Heiliger Geist auf uns zukommt. Doch werden diese drei Gestalten nur als Masken Gottes betrachtet, die etwas über uns, aber nichts über Gott selbst aussagen. So verlockend ein solcher Weg scheint, so führt er am Ende doch wieder dazu, dass der Mensch nur in sich kreist und nicht bis zum Eigenen Gottes vordringt. Die Nachgeschichte des Monarchianismus im neuzeitlichen Denken hat das nur noch einmal bestätigt. Hegel und Schelling haben bei ihrem Versuch, das Christentum philosophisch zu deuten und Philosophie vom Christlichen her zu denken, an diesen altchristlichen Versuch einer Philosophie des Christentums angeknüpft und gehofft, von hier aus Trinitätslehre rational durchschaubar und brauchbar zu machen, sie in ihrem vermeintlich reinen philosophischen Sinn zum wahren Schlüssel alles Verstehens des Seins zu erheben. Selbstverständlich soll hier nicht der Versuch gemacht werden, diese bisher erregendsten Versuche denkerischer Anverwandlung des christlichen Glaubens in ihrer Gänze zu würdigen. Es sei nur angedeutet, wieso die Ausweglosigkeit, die wir für den Monarchianismus (Modalismus) typisch fanden, sachlich auch hier wiederkehrt. (Fs)

157a Ausgangspunkt des Ganzen bleibt der Gedanke, Trinitätslehre sei Ausdruck der geschichtlichen Seite Gottes, dafür also, wie Gott geschichtlich erscheint. Indem Hegel - und auf andere Weise auch Schelling - diesen Gedanken radikal durchführen, kommen sie bis zu der Konsequenz, dass sie diesen Prozess der geschichtlichen Selbstdarstellung Gottes nicht mehr von einem dahinter ruhend in sich bleibenden Gott unterscheiden, sondern nunmehr den Prozess der Geschichte als den Prozess Gottes selbst verstehen. Die geschichtliche Gestalt Gottes ist dann die allmähliche Selbstwerdung des Göttlichen, Geschichte somit zwar Prozess des Logos, aber auch der Logos nur als Prozess der Geschichte wirklich. Anders ausgedrückt bedeutet das, dass der Logos - der Sinn allen Seins - erst in der Geschichte sich stufenweise zu sich selber gebiert. Die Vergeschichtlichung der Trinitätslehre, wie sie der Monarchianismus einschließt, wird so zur Vergeschichtlichung Gottes. Das wiederum heißt, dass Sinn nicht mehr einfach der Schöpfer der Geschichte ist, sondern dass die Geschichte zum Schöpfer des Sinnes und dieser zu ihrem Geschöpf wird. Karl Marx hat an dieser Stelle lediglich entschlossen weitergedacht: wenn der Sinn nicht dem Menschen vorausgeht, dann liegt er in der Zukunft, die der Mensch kämpferisch selbst herbeizuführen hat. (Fs) (notabene)

158a So zeigt sich aber, dass in der Konsequenz des monarchianischen Gedankens der Weg des Glaubens nicht weniger verloren geht als im Subordinatianismus. Denn in einer solchen Ansicht wird das dem Glauben so wesentliche Gegenüber der Freiheiten aufgehoben, aufgehoben wird aber auch der Dialog der Liebe und seine Unberechenbarkeit, aufgehoben die personalistische Struktur des Sinnes mit ihrem Ineinander von Größtem und Geringstem, von weltumgreifendem Sinn und sinnfragendem Geschöpf. Dies alles - das Personale, das Dialogische, die Freiheit und die Liebe - wird hier eingeschmolzen in die Notwendigkeit des einzigen Prozesses der Vernunft. Aber noch ein Weiteres wird hier sichtbar: es zeigt sich, dass das radikale Durchschauenwollen der Trinitätslehre, die radikale Logisierung, die zur Vergeschichtlichung des Logos selbst wird und mit dem Begreifen Gottes auch die Geschichte Gottes geheimnislos begreifen, in ihrer strengen Logik selbst konstruieren will - dass gerade dieser grandiose Versuch, die Logik des Logos selbst ganz in die Hand zu nehmen, zurückführt in eine Geschichtsmythologie, in den Mythos des geschichtlich sich gebärenden Gottes. Der Versuch einer totalen Logik endet in Unlogik, in der Selbstaufhebung der Logik in den Mythos hinein. (Fs)

158b Die Geschichte des Monarchianismus weist übrigens noch einen anderen Aspekt auf, der hier wenigstens kurz genannt werden soll: Schon in seiner altchristlichen Form und dann von neuem in seiner Wiederaufnahme durch Hegel und Marx enthält er eine ausgesprochen politische Note: Er ist »politische Theologie«. In der alten Kirche dient er dem Versuch, die kaiserliche Monarchie theologisch zu unterbauen; bei Hegel wird er zur Apotheose des preußischen Staatswesens, bei Marx zum Aktionsprogramm für eine heile Zukunft der Menschheit. Umgekehrt ließe sich zeigen, wie in der alten Kirche der Sieg des Trinitätsglaubens über den Monarchianismus einen Sieg über den politischen Missbrauch der Theologie bedeutete: Der kirchliche Trinitätsglaube hat die politisch brauchbaren Modelle gesprengt und damit Theologie als politischen Mythos aufgehoben, den Missbrauch der Verkündigung zur Rechtfertigung einer politischen Situation verneint1. (Fs) (notabene)

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