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Autor: Thomas, Aquin von

Buch: Gott der dreieinige

Titel: Kommentar zu F1_027 - F1_043

Stichwort: Hervorgänge (Hervorgang, processio); Deutung: Duns Scotus, Durandus und andere

Kurzinhalt: Von späteren Scholastikern wurde aber doch der Versuch unternommen, die innergöttlichen Hervorgänge anders zu deuten

Textausschnitt: 393b Von späteren Scholastikern wurde aber doch der Versuch unternommen, die innergöttlichen Hervorgänge anders zu deuten. Sie werden hier erwähnt, weil sich an ihnen der Wert der thomistischen Lösung verdeutlichen läßt. (Fs)

393c Der Grundgedanke, von dem die späteren Lösungen ausgehen, ist dieser: Erkennen und Wollen kommen als Lebensbetätigungen der göttlichen Natur allen drei Personen gemeinsam zu. Man darf sie also nicht zu einer Erklärung der göttlichen Hervorgänge heranziehen, weil diesen dem Vater, bzw. Vater und Sohn eigene Betätigungen zugrunde liegen müssen; nur vom Vater und vom Sohne geht eine andere Person hervor. (Fs)

393d Der Franziskanertheologe Johannes Duns Scotus (+ 1308) bemerkt außerdem, daß die innebleibenden Lebensbetätigungen an sich nichts hervorbringen, sondern sich letztlich im Erkenntnis- bzw. Liebesakt erschöpfen. Anderseits will er doch bei der psychologischen Erklärung der innergöttlichen Hervorgänge bleiben; darum nimmt er neben dem Erkennen und Wollen im göttlichen Verstand und Willen noch andere Tätigkeiten an, das Sprechen des Wortes und das Hauchen der Liebe. Mit Thomas stimmt er also darin überein, daß er den Sohn und den Geist aus dem Erkenntnis- und Willensvermögen hervorgehen läßt; der Unterschied besteht darin, daß er neben Erkennen und Wollen noch andere Lebensbetätigungen in diesen Fähigkeiten annimmt. Darin liegt zugleich die Schwäche seiner Erklärung. Es ist doch schwer einzusehen, wie eine einzige Lebenskraft zwei voneinander verschiedene Lebensbetätigungen ausüben kann. Zudem bleibt bei Scotus doch die Schwierigkeit bestehen, um deretwillen er die Erklärung des hl. Thomas aufgeben zu müssen glaubte. Wenn nämlich Sprechen und Hauchen zwar vom Erkennen und Wollen verschiedene Lebensbetätigungen sind, aber doch Betätigungen des Erkenntnis- und Willensvermögens, so werden sie ebendarum wieder zu allen drei Personen gemeinsamen Betätigungen. Die wirkliche Lösung der Schwierigkeit liegt darin, daß Erkennen und Wollen zwar allen drei Personen gemeinsame Lebensbetätigungen sind, die sich aber in den einzelnen Personen auf verschiedene Art verwirklichen. Der eine Erkenntnisakt ist z. B. im Vater Sprechen des WORTES, in Sohn und Geist einfaches Erkennen. (Fs)

394a Der Dominikaner Durandus a S. Porciano (+ 1334) ging über Scotus hinaus; er ließ aus der gleichen Grundschwierigkeit die psychologische Erklärung überhaupt fallen. Weil Erkennen und Wollen gemeinsam sind, folgerte er, müssen die innergöttlichen Hervorgänge gewissermaßen 'vor' dem Erkennen und Wollen liegen, d. h. sie sind in der Fruchtbarkeit der göttlichen Natur als solcher begründet, wie ja auch beim Menschen das Zeugungsvermögen nicht aus seiner Erkenntnis- oder Willensfähigkeit heraus erklärt werden kann, sondern nur aus der Fruchtbarkeit der Natur als solcher. (Fs)

394b Aber auch hiermit ist zur Lösung der eigentlichen Schwierigkeit nichts gewonnen. Werden die göttlichen Hervorgänge aus der Fruchtbarkeit der göttlichen Natur erklärt, dann muß auch vom Heiligen Geist eine Person ihren Ausgang nehmen, denn auch der Geist besitzt die allen dreien gemeinsame fruchtbare göttliche Natur. Die Erklärung des Durandus führt zudem notwendig zur Auffassung des hl. Thomas zurück, sobald man das göttliche Sein an sich, als in sich selbst ruhendes Erkennen (intelligere subsistens) auffaßt. Dann wird ein unmittelbar aus der Natur des Urprinzips hervorströmendes Sein zum Ausfluß des erkennenden Geistwesens, d. h. zum innerlich aus dem Erkennen hervorgehenden Worte. Es läßt sich hier also die gleiche Zurückführung auf die thomistische Lösung vornehmen, wie sie Thomas in der Antwort auf den zweiten Einwand bietet. (Fs)

394c Neben der thomistischen Lösung kommt eigentlich nur der Versuch in Betracht, die göttlichen Hervorgänge unmittelbar aus der Fruchtbarkeit der Natur zu erklären. Die griechischen Väter haben sich ja auch mit dem Hinweis auf diese Fruchtbarkeit begnügt. Nun ist die psychologische Erklärung sachlich nichts anderes als die genaue Umgrenzung, worin bei Gott, dem absoluten Geistwesen, diese Fruchtbarkeit besteht. Also ist eine andere Erklärung der Hervorgänge, als die thomistische, nicht möglich. Darum ist die psychologische Trinitätslehre auch mehr als eine bloße Hypothese, es kommt ihr absoluter Wert zu, sie gibt das eigentliche Wesen der innergöttlichen Hervorgänge an. Diese Einsicht, wie die Geburt des Sohnes und die Hauchung des Geistes zu verstehen sind, verdanken wir also nicht einer eindeutigen Aussage der Offenbarung selbst, sondern dem unermüdlichen, jahrhundertelangen Erforschen der von der Offenbarung gegebenen Anhaltspunkte. (Fs)

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