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Autor: Thomas, Aquin von

Buch: Gott der dreieinige

Titel: Kommentar zu F1_027 - F1_043

Stichwort: Der zweite Hervorgang; "Frucht" des Willensaktes; das "Geliebte" im Liebenden; dazu: Lonergand

Kurzinhalt: Soll die psychologische Erklärung der göttlichen Hervorgänge ganz durchgeführt werden, dann muß man auch im Willensakt eine 'Frucht' aufzeigen, die mit dem ausgeprägten Erkenntnisbild des Verstandes verglichen werden kann

Textausschnitt: 3. UND 4. ARTIKEL Der zweite innergöttliche Hervorgang

390d Der Ausgang des WORTES läßt sich durch das Hervorgehen des ausgeprägten Erkenntnisbildes im menschlichen Erkennen verständlich machen. Für den zweiten innergöttlichen Hervorgang entsteht in der psychologischen Erklärung eine nicht geringe Schwierigkeit. Wir erfahren im Liebesakte zwar, daß dieser Akt als Lebensbetätigung von uns ausgeht, sind uns aber nicht bewußt, daß er fruchtbar ist wie das Erkennen und auch etwa ein 'Bild' des erstrebten Gegenstandes hervorbringt. Der Akt des Wollens oder Liebens selbst aber kann ebensowenig als Analogie des Hervorganges des Heiligen Geistes gefaßt werden wie der Erkenntnisakt ohne Sprechen des Wortes als Analogie zum Hervorgehen des Sohnes; in diesem Falle würden ja die hervorgehenden Personen als Verwirklichungen einer im Vater, bzw. in Vater und Sohn liegenden Möglichkeit verstanden; Erkennen, Wollen und Lieben verwirklichen nur die in den Fähigkeiten liegenden Möglichkeiten zu diesen Betätigungen. Eine solche Trinitätsauffassung ist aber mit der unbedingten Vollkommenheit des göttlichen Seins unvereinbar. Soll die psychologische Erklärung der göttlichen Hervorgänge ganz durchgeführt werden, dann muß man auch im Willensakt eine 'Frucht' aufzeigen, die mit dem ausgeprägten Erkenntnisbild des Verstandes verglichen werden kann. Thomas behauptet im 3. Artikel, der Wille bringe durch seine Betätigung etwas hervor, was er kurzweg als 'Liebe' bezeichnet. Diese 'Liebe* ist hier nicht der Liebesakt selbst, sie setzt diesen vielmehr voraus. In anderen Schriften bestimmt Thomas allerdings den Unterschied zwischen Erkennen und Wollen ausdrücklich dahin, daß das Erkennen ein Bild hervorbringt, das Wollen jedoch nicht: "Aus dem Willen geht nichts anderes hervor als die Tätigkeit des Wollens selbst. Im Erkennen dagegen geht etwas hervor, was sich von der Erkenntnistätigkeit selbst unterscheidet, da es von ihr hervorgebracht wird" (De Ver. 4, 2 ad 7). Dementsprechend glaubte er früher auch, der Heilige Geist sei der aus Gott hervorgehende Liebesakt : "Der Liebesakt selbst ist die Person des Heiligen Geistes" (1 Sent., dist. 32, q. 1, a. 1 ad 3 und an anderen Stellen). Wie der Wortlaut unseres Artikels der Summa bestätigt, hat Thomas seine Auffassung in diesem Punkte geändert. Noch deutlicher geht das aus 37, 1 hervor. Eine eingehende Begründung dafür hat er allerdings nie gegeben. Die späteren Thomisten haben darum versucht, diese Lücke auszufüllen und nachzuweisen, daß auch die Lebensbetätigung des Wollens fruchtbar ist. (Fs)

Kommentar (25.07.08): Cf. Lonergan, Systematics:
219b Summa theologiae, 1, q. 27, a. 3 c: '... in God there is procession only according to action that does not tend toward something extrinsic but remains within the agent itself. But such action in an intellectual nature is that of the intellect and that of the will. The procession of the word is considered in connection with the action of the intellect. However, another procession is found in us in connection with the operation of the will, namely, the procession of love, whereby the beloved is in the one who loves, just as the reality spoken or understood is in the one who understands through the conception of the word. Hence, in addition to the procession of the Word, another procession is to be posited in God, namely, the procession of Love.' (Fs)

219c Summa theologiae, 1, q. 37, a. 1 c: 'Just as from the fact that someone understands something, there comes forth in the one who understands some intellectual conception of the reality understood, which is called the word; so from the fact that someone loves something, there comes forth in the affection of the lover some impression, so to speak, of the reality loved, whereby the beloved is said to be in the one who loves, just as what is understood is in the one who understands. So it is that, when one understands and loves oneself, one is in oneself not only by an entitative identity, but also as what is understood is in the one who understands, and as the beloved is in the one who loves.' (Fs)

221a Regarding that reality which is named 'the beloved in the lover' we are asking whether it is really the same as love, the act of loving, or whether perhaps it is really distinct from love and proceeds from love. If you say the former is the case, then 'the beloved in the lover' is constituted by love; if you say the latter is the case, then 'the beloved in the lover' is produced by love. (Fs) (notabene)
221b In favor of the former opinion is the first passage cited above: according to that passage, the beloved is said to be in the one who loves in accordance with the procession of love, just as the thing spoken or understood is in the one who understands it through the conception of the word. For 'the reality spoken or understood' is constituted in the one who understands through the word itself; in like manner, therefore, the 'beloved' is constituted in the lover through proceeding love itself. (Fs)

221c In favor of the latter opinion is the second passage cited above: there, from the fact that someone understands, there issues forth in the one understanding a conception of the thing understood, and similarly from the fact that someone loves, there issues forth in the affection of the lover a kind of impression of the thing loved. For the word is produced by the act of understanding, and so, in like manner, 'the beloved in the lover' is produced by the act of loving. (Fs)

221d The importance of this question is that corresponding to these opposed opinions there are opposed theoretical systems. Some take the trinitarian analogy from determining that there are two processions in us, one within intellect and the other within will; so that, just as the act of understanding produces the word in the first procession, so the act of love produces the 'beloved in the lover' in the second; John of St Thomas1 and Thomists generally have been of this opinion. But we take the trinitarian analogy from the fact that we experience in ourselves two processions, the first of which is within intellect, while the second is from intellect toward will. In the first procession, we judge because and according as we grasp the sufficiency of evidence. And in the second, we choose because and according as we judge. (Fs) (notabene)

391a Der Wille richtet sich in der Zuneigung auf ein ganz bestimmtes Objekt. Diese Zuneigung setzt aber eine Verwandtschaft, eine gewisse Gleichheit zum Objekt voraus. Von Natur ist der menschliche Wille an kein Einzelobjekt so gebunden, daß er es notwendig lieben muß, d. h. er besitzt von Natur nicht die zur Liebe erforderliche innere Gleichheit zu bestimmten Einzeldingen, er muß sie also erst erwerben. Das geschieht nicht dadurch, daß das Erkennen dem Strebevermögen einen liebenswerten Gegenstand zeigt; als selbständige Fähigkeit muß der Wille selbst die Eignung zu jenem Objekt in sich tragen. Diese Eignung kann darum auch nur aus dem Liebesakt selbst hervorgehen. So stellt also der Liebesakt selbst die innere Gleichheit und Verwandtschaft mit dem Geliebten her. Das ist der Sinn der von Thomas so oft wiederholten Behauptung, das Geliebte sei im Liebenden wie das Erkannte im Erkennenden. Damit ist die innere Angleichung an das Geliebte gemeint, die der Liebesakt zum Ziele hat. In diesem Sinne ist also die 'Liebe' zu verstehen, die Thomas als vom Liebesakt hervorgebracht bezeichnet. Beim Erkennen hat die vom Erkenntnisakt ausgehende 'Frucht' einen eigenen Namen (ausgeprägtes Erkenntnisbild' oder 'inneres Wort'), im Wollen fehlt eine eigene Bezeichnung, Thomas redet darum nur von der hervorgehenden Liebe' zum Unterschied vom Liebesakt selbst. (Fs)

392a So läßt sich die Behauptung des hl. Thomas, daß auch aus dem Willensakt etwas im Wollenden hervorgehe, begreiflich machen. Allerdings läßt sich hier nicht mit unbedingter Sicherheit die sachliche Verschiedenheit des Willensaktes und der inneren Angleichung an das Geliebte nachweisen, wie dies für das Verhältnis von Erkenntnisakt und innerem Wort möglich ist. Immerhin genügt das Gesagte, um in Gott den Hervorgang einer persönlichen Liebe anzunehmen, wenn wir aus der Offenbarung neben der einen hervorgehenden Person, die sich als Gottes Wort bestimmen ließ, noch von einer anderen wissen. (Fs)

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