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Autor: Rahner, Karl

Buch: Geist in Welt

Titel: Geist in Welt

Stichwort: § 2. Die Anzeigen der abstraktiven reditio in se ipsum; Allgemeinbegriff; reditio, abstractio, conversio; Allgmeinbegriff - Konkretes (concretum)

Kurzinhalt: Conversio ist gerade die Hinbeziehung des Allgemeinen auf ein Diesda ... Ein "es" allein, ohne ein "etwas" über es, kann man überhaupt nicht denkend vorstellen

Textausschnitt: § 2. Die Anzeigen der abstraktiven reditio in se ipsum

81a Bevor der Versuch unternommen werden kann, die innere Möglichkeit jenes von der Welt Abstand gewinnenden Rückgangs des Erkennenden auf sich selber zu begreifen, muß er in seiner tatsächlichen Eigenart einigermaßen begriffen werden. Drei Anzeigen gibt diese denkende Welthabe von sich, die sich gegenseitig ergänzen und verdeutlichen: den allgemeinen Begriff, das Urteil, dessen Wahrheit. (Fs)

82a Es ist wichtig für das Verständnis der ganzen conversio, sich diese eigentümliche Struktur unseres Denkens klarzumachen. Conversio ist gerade die Hinbeziehung des Allgemeinen auf ein Diesda. Soll es nach Thomas keine Erkenntnis ohne conversio geben, so könnte man gegen diese These einwenden, wenigstens die Vorstellung des Allgemeinbegriffs und das allgemeine Wesensurteil, die sich beide nicht auf ein konkretes Diesda beziehen, schlössen eine solche conversio aus. Tatsächlich aber müssen auch alle diese Allgemeinheiten immer in einer conversio gedacht werden. Wir erfassen das Allgemeine als Gegenstand unseres Denkens gerade wenn es als Allgemeines gedacht wird, selbst wieder in einer konkretisierenden conversio von gewissermaßen zweiter Ordnung, als einen Gegenstand, der selbst wieder innerlich strukturiert ist wie ein gewußter wirklicher Gegenstand. Unser Gewußtes ist in allen Fällen gleich gebaut, allgemein oder konkret ist es nur dadurch, daß es entweder sich als solches unmittelbar auf das in der Sinnlichkeit gegebene concretum bezieht oder nur mittelbar. Der singuläre Begriff trägt in sich schon immer ein Allgemeines ("dieses von der Art"), und der universelle bezieht sich noch als solcher auf ein Dieses ("die Art von diesem") oder wird selbst vorgestellt als ein "Dieses von der Art". Die thomistischen Thesen, daß es intellektuell nur Allgemeinbegriffe gebe und ein Allgemeinbegriff nur gewußt werde in einer conversio ad phantasma, sind die beiden notwendig zusammenzuhaltenden Umschreibungen dieser einen Struktur aller und jeder unserer Erkenntnisse. Wird das Nichtkonkrete als solches zum Gegenstand des Denkens gemacht, so fungiert es ohne weiteres als concretum, denn man denkt dann etwas über es, und dieses "es" verhält sich zum "etwas" wie ein concretum zu seinem Allgemeinen (zur forma). Ein "es" allein, ohne ein "etwas" über es, kann man überhaupt nicht denkend vorstellen. Man kann "es" sinnlich anschauen. So aber ist es durch die Sinnlichkeit allein nicht gegenständlich gegeben. Man kann urteilend negieren, daß das "es" von einem "etwas" an sich verschieden sei (im Versuch, die forma in se subsistens separata zu denken). Aber es entsteht dann die Frage, die noch zu lösen bleibt, ob überhaupt nach dieser Negation durch Urteil noch ein Gegenstand des Denkens bleibe. Jede denkende Vorstellung, ob allgemein, singulär oder individuell, ist ein Wissen von etwas über etwas. Was sich zuerst als Eigentümlichkeit des Allgemeinbegriffs zeigte, enthüllt sich damit nicht bloß als die des Allgemeinbegriffs als solchen, sondern als Ausdruck der Wesensart unseres menschlichen Wissens überhaupt: immer wird etwas über etwas gewußt. Darin zeigt sich nun tatsächlich die reditio subjecti in se ipsum an. (Fs)

83a Jede gegenständliche Erkenntnis ist immer und in jedem Fall die Hinbeziehung eines Allgemeinen auf ein Dieses. Dieses Diesda erscheint so als der dem Wissen gegenüberstehende Beziehungspunkt, auf den der Erkennende sein von ihm (allgemeines) Gewußtes hinbezieht. Damit steht aber gewissermaßen das Subjekt mit seinem Wissensinhalt (dem Allgemeinbegriff) schon in Abstand von jenem Diesem, auf das es den Wissensinhalt hinbezieht. Dieser Wissensinhalt ist gerade deshalb allgemein, weil er auf der Seite des wissenden Subjektes in dessen Gegenstellung zu jenem Diesem steht und darum auf beliebige Diese bezogen werden kann. Oder umgekehrt gesagt: gerade dadurch, daß das Subjekt den Inhalt des Allgemeinbegriffs aus der sinnlichen Ungeschiedenheit von Subjekt und Objekt herauslöste (was durchaus keine Verringerung seines Inhaltes zu bedeuten braucht, da bei dieser Herauslösung ja nur ein völlig leeres Dieses zurückzubleiben braucht), gewinnt das Subjekt sich selbst erstmals in seinem Gegenstehen gegen diese Diesda, es kehrt in sich selbst zurück und hat damit auch erst einen Gegen-stand, auf den es das bei seiner Rückkehr zu sich mitgenommene und so allgemein gewordene Gewußte hinzubeziehen vermag. Die Rückkehr des wissenden Subjekts in sich und die Abhebung eines Allgemeinen von seinen "Subjekten" ist ein und derselbe Vorgang. So ist der Allgemeinbegriff tatsächlich die erste Anzeige für die eine gegenständliche Erfahrung erst ermöglichende oppositio zwischen Subjekt und Objekt. Abstractio als Gewinnnung des Allgemeinbegriffs ist demnach der Vollzug dieser reditio (reflexio) sbjecti in seipsum. (Fs) (notabene)

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