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Autor: Rhonheimer, Martin

Buch: Die Perspektive der Moral

Titel: Die Perspektive der Moral

Stichwort: Thomas: Glück - Reichtum, Ehre, guter Ruf, Macht (vier Argumente); Glück als Gut des Leibes oder Seele;

Kurzinhalt: Besitz von Reichtum, Ehre, guter Ruf, Macht können nicht dieses Äußerste sein. Vier Hauptgründe werden genannt: ...

Textausschnitt: 73a Thomas v. Aquin behandelt die Frage nach der Bestimmung des Glücks als Metaphysik des Handelns. Sie führt zu einer vollen Integration der Aristotelischen Lehre, und zugleich zu ihrer theologischen Relativierung und philosophischen Ausgrenzung. Die Fragestellung zielt von Anfang an auf das, was Thomas die "beatitudo perfecta" nennt, das "äußerste Seinkönnen des Menschen"1. Die Analyse wird vorangetrieben bis zur Bestimmung dessen, woraufhin menschliches Tätigsein und Seinkönnen als Äußerstes angelegt sind. (Fs) (notabene)

73b Besitz von Reichtum, Ehre, guter Ruf, Macht können nicht dieses Äußerste sein. Vier Hauptgründe werden genannt2: All dies kann sowohl guten wie auch schlechten Menschen zukommen. Das Glück jedoch kennt keinen Mangel. "Ein schlechter Mensch sein" ist nun aber ein Mangel. Zweitens sind alle diese Güter vereinbar mit der Möglichkeit, dass einem andere Dinge wie Weisheit oder Gesundheit fehlen. Drittens können aus all diesen Gütern Übel entspringen; viertens schließlich hängen diese Güter eher von äußeren Umständen, Glück, Fügung und Zufall aber, nicht aber von Ursachen, die im Inneren des Menschen liegen; das Glücksverlangen entspringt jedoch dem Inneren des Menschen und kann demnach nur von innen her gesättigt werden. (Fs; I-II, q. 2, a. 4.) (notabene)

73c Besteht das Glück in einem Gut des Leibes?3 In der Selbsterhaltung, in der Gesundheit? Das ist nicht möglich. Auch einem Schiffskapitän geht es ja letztlich nicht darum, sein Schiff zu erhalten, sondern etwas damit zu erreichen. Nur wer selbst das höchste Gut ist, und demnach gar kein Ziel mehr zu verfolgen braucht - oder wer schon beim Letzten angelangt ist -, für den ist auch Selbsterhaltung ein Letztes4. Zweitens sind die Güter des Leibes auf jene der Seele hingeordnet. Also ist es nicht möglich, dass jenes, was vernünftigerweise als Letztes erstrebt werden kann, ein leibliches Gut ist. (Fs; Fußnote)

73d Das Glück kann auch nicht in der Lust gefunden werden5, weil Lust, auch geistige, aus dem Besitz des Guten erst folgt; und nach diesem Gut zielt ja die Frage. In der Lust der Sinne kann das Glück schon deshalb nicht bestehen, weil diese immer endlich ist und nicht jene Sättigung zu erwirken vermag, nach der uns verlangt. Das Glücksverlangen ist ja ein Verlangen des Willens; es ist ein intellektives Verlangen. Das Glück im Sinnesgenuss suchen führt zur Frustration, zu immer mehr Genussstreben mit zunehmend weniger Befriedigung. (Fs)

74a Besteht das Glück in einem Gut der Seele?6 Wenn wir das Gut, das wir suchen, als "finis cuius" betrachten, d.h. als die "Sache", durch deren Erlangen unser Verlangen gesättigt wird, so kann dieses nicht ein Gut der Seele sein. "Denn das menschliche Streben, der Wille, richtet sich auf ein universales Gut", - d.h. ein solches, das unter allen möglichen Gesichtspunkten, unter unendlichen oder indefiniten Gesichtspunkten gut ist. Jedes Gut der menschlichen Seele ist jedoch partikular und endlich. Betrachten wir jedoch das letzte Ziel des Menschen als "finis quo", als "Ziel für den Menschen" (praktisches Gut), so muss gesagt sein, dass es in einem Gut der Seele besteht: Es ist ein Gut, das im Besitz der Seelenkräfte ist, das also der Mensch durch und in Tätigkeiten seiner Seele erlangt. Und ein solches suchen wir ja, wenn wir in der Perspektive der Praxis von Glück sprechen. (Fs) (notabene)

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