Datenbank/Lektüre


Autor: Rhonheimer, Martin

Buch: Die Perspektive der Moral

Titel: Die Perspektive der Moral

Stichwort: Aristoteles, Thomas; Glück - Tugend,

Kurzinhalt: Wir definierten ja Glück als "erfülltes Streben". Und Thomas sagt an andere Stelle, "das Glück erstreben" bestehe in nichts anderem als darin, "zu erstreben, dass der Wille gesättigt sei"

Textausschnitt: 65a Für Aristoteles und, außer den Kyrenaikern, generell für die antike Ethik ist ein solcher Begriff von Glück als Zustand von Erlebnissen des Befriedigtseins undenkbar1. Wie J. Annas2 wieder deutlich gemacht hat, ist der antike Begriff des Glücks an denjenigen der Tugend zurückgebunden und ihm untergeordnet. Nicht wird behauptet, der Tugendhafte sei schließlich der Glückliche, sondern wahres Glück, erfülltes, gelungenes, "gutes" Leben bestehe in der Tugend. Gerade deshalb besitzen antike Ethiken oft auch ausgesprochen kontraintuitive Züge, auf jeden Fall aber zwingen sie dazu, anfängliche Intuitionen darüber, was Glück, sei im Gefolge der ethischen Untersuchung zu revidieren: Nicht im Zustand des Befriedigtseins kann Glück bestehen, sondern in jener Erfüllung, in jenem Gelingen des Lebens, die allein durch das Gutsein dieses Lebens gekennzeichnet werden kann, und das wiederum ist das Leben gemäß der Tugend. (Fs)

65b Gleichwohl, und hier scheint sich ein nichtaufhebbarer Widerspruch zu zeigen, ist Glück eine bestimmte Art von "Befriedigtsein", von "Erfülltsein". Wir definierten ja Glück als "erfülltes Streben". Und Thomas sagt an andere Stelle, "das Glück erstreben" bestehe in nichts anderem als darin, "zu erstreben, dass der Wille gesättigt sei"3. Nun ist aber der Wille eben ein vernünftiges Streben. Und genau deshalb ist die Glücksformel weder eine Leerformel noch verstellt sie uns den Blick auf das "Sollen". Im Gegenteil: Sie zeigt uns erst, was "Sollen" überhaupt meint. Die aristotelische Formel, dass wir als letztes Ziel alle nach dem Glück streben, schließt nämlich ein - und auch hier wiederum besteht in der antik-klassischen Ethik Konsens -, dass das Glück nur darin zu finden sein kann, was wir allein vernünftigerweise um seiner selbst willen wollen können. Anders formuliert: Was wir letztlich erstreben sollen, ist gerade, was allein wir vernünftigerweise um seiner selbst willen wollen können (wir können natürlich vieles um seiner selbst willen erstreben; aber nicht alles nach Maßstäben der Vernünftigkeit). Deshalb treibt uns die aristotelische Glücksformel zu einer Analyse dessen, was denn allein vernünftigerweise um seiner selbst willen gewollt werden kann; worin denn allein vernünftigerweise Erfüllung des Strebens, Sättigung des Willens gesucht werden kann. Da eben "Glücksstreben" nicht eine psychologische Leerformel für die Beschreibung eines subjektiven Zustandes von Befriedigungs-Erlebnissen ist, sondern die Formel für das Letzte eines vernunftgeleiteten Strebens - d.h. für ein vernunftgemäßes Letztes -, so ist die inhaltliche Bestimmung von Glück prinzipiell auch einer Begründung durch Vernunft zugänglich. (Fs) (notabene)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt