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Autor: Rhonheimer, Martin

Buch: Die Perspektive der Moral

Titel: Die Perspektive der Moral

Stichwort: Ethik, praktische Philosophie: das Sollen - das Gute; erste Prinzip der praktischen Vernunft

Kurzinhalt: "Was soll ich tun?"1. Diese Frage jedoch greift zu kurz; sie ist nicht die erste Frage. Vor der Frage nach dem Sollen steht die Frage nach dem Guten. "Das Gute soll man tun, das Üble soll man meiden"

Textausschnitt: 41a Ethik ist praktische Philosophie. Das heißt, Ethik reflektiert über Praxis und zielt auf Praxis. Wer Ethik betreibt, ist ein handelndes Subjekt. Und gerade insofern dieses sich selbst als handelnd weiß, entspringen jene Fragen, die wir ethische Fragen nennen. Diese Fragen zielen nicht darauf, einfach etwas zu erkennen. Sie zielen auf die Praxis selbst: Auf das "gute", "richtige" Tun. (Fs) (notabene)

41b Es gibt auch andere Erkenntnisweisen, die darauf abzielen, etwas "gut" oder "richtig" zu tun. Zum Beispiel die Harmonielehre oder die Architektur. Die Griechen nannten solches Tun techne, wir nennen es Technik und Kunst. Gewiss haben auch Technik und Kunst etwas mit Ethik zu tun. Aber als solche fragen sie nur danach, wie man "etwas Bestimmtes" gut tut, etwa wie man Musikstücke komponiert oder Häuser baut. Die eigentlich praktische Fragestellung zielt darauf, wie man als guter Mensch lebt. Sie zielt auf das Ganze des menschlichen Lebens und des Menschseins. (Fs)

41c Kant und im wesentlichen die gesamte Moralphilosophie der letzten zwei Jahrhunderte behaupteten, die der Ethik eigene Fragestellung laute: "Was soll ich tun?"1. Diese Frage jedoch greift zu kurz; sie ist nicht die erste Frage. Vor der Frage nach dem Sollen steht die Frage nach dem Guten. Man "soll" ja tun, was "gut" ist und weil es gut ist. Das Gute ist nicht gut, weil man es "soll", sondern gerade umgekehrt verhält es sich, ja muss es sich verhalten: Denn das Sollen bedarf ja eines Grundes. Er ist das, was vernünftigerweise zu erstreben ist. Deshalb beginnt die Nikomachische Ethik des Aristoteles mit dem Satz: "Jede Kunst und jede Lehre, desgleichen jede Handlung und jeder Entschluss scheint ein Gut zu erstreben, weshalb man das Gute treffend als dasjenige bezeichnet hat, wonach alles strebt"2. Und das erste Prinzip der praktischen Vernunft wird - darauf gründend - demnach lauten: "Das Gute soll man tun, das Üble soll man meiden"3. Am Beginn der Ethik steht somit die Frage nach dem Guten, das wir tun sollen. (Fs) (notabene)

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