Datenbank/Lektüre


Autor: Rhonheimer, Martin

Buch: Die Perspektive der Moral

Titel: Die Perspektive der Moral

Stichwort: Philosophische Ethik - Moraltheologie, Letztbegründung in Gott

Kurzinhalt: Das "Aufhängen" von Moral und menschlicher Autonomie an "Gott" als deren "Letztbegründung" erweist sich somit als Selbsttäuschung

Textausschnitt: 34a Für den Christen liegt die Versuchung nahe, auch in der Ethik davon auszugehen, dass ohne Gott nichts läuft. Er wird vielleicht glauben, nur eine "theologische Ethik" sei möglich. Mir scheint, das wäre ein verhängnisvoller Irrtum. Gewiss: Ohne Gott läuft überhaupt nichts. Und der Philosoph wird zu begründen wissen, weshalb das so ist, auch in der Moral. Von dem Irrtum jedoch, dass Ethik an Gott "aufgehängt" werden muss, sind auch viele gegenwärtige Moraltheologen weniger entfernt, als es zunächst scheinen mag. Wenn sie auch für Autonomie der Moral plädieren, so muss dann doch das Ganze noch in Gott letztbegründet werden, damit nicht alles im Nichts versinkt. (Fs)

34b In Wirklichkeit ist auch Moral nicht einfach "letztbegründet" an Gott "aufgehängt". Wie alles, was ist, Sterne, Planeten, Atome, Gräser, Mücken und Elefanten, so ist auch der Mensch und sein Handeln stets "in Gott" und "durch Gott". Gott tritt nicht erst am Ende in die Moral ein, sondern ist immer schon präsent. Die Frage ist nur, wie er präsent ist, und wie diese Präsenz wirksam wird. (Fs)

34c Wo Gott im sittlichen Handeln des Menschen gleichsam zum ersten Mal erscheint, ist nur schwer zu sagen. Es lässt sich höchstens rekonstruieren. Denn von Gott wissen wir zumeist schon bevor wir beginnen, sittliches Handeln zu analysieren und Ethik zu betreiben. Gotteserkenntnis ist nicht eine Leistung der praktischen Vernunft. Vielmehr haben wir in der Regel unsere ersten Gehversuche als moralische Subjekte bereits aufgrund von irgend einer Form von Einsicht in die Existenz Gottes gemacht und entsprechend deuten wir dann auch die Leistung praktischer Vernunft. Natürlich führen auch die Phänomene "praktische Vernunft" und "Moral" zur Gotteserkenntnis. Jedoch nicht als praktische Erkenntnis, sondern als eine Form von "Theoria", die im Phänomen der Moral die Spuren derjenigen Ursache entdeckt, "die alle Gott nennen"1. Das "Aufhängen" von Moral und menschlicher Autonomie an "Gott" als deren "Letztbegründung" erweist sich somit als Selbsttäuschung und oft nur zu billiger Ausweg, um das, was man zuvor nicht zu begründen vermochte, schließlich noch durch "Letztbegründung" nachzuholen2. (Fs)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt