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Autor: Coreth, Emerich

Buch: Metaphysik

Titel: Metaphysik

Stichwort: Thomistische Seinslehre (Dasein als Seinsakt) - Suarez, Einwand 1: Übergang von der Denkordnung in die Seinsordnung

Kurzinhalt: Das schlechthin Entscheidende der thomistischen Seinslehre liegt also darin, daß sie das Sein nicht nur als Dasein, sondern als Seinsakt versteht ... Die suarezianische Scholastik1 erhebt dagegen vor allem den zentralen Einwand: ...

Textausschnitt: 45/3 Das schlechthin Entscheidende der thomistischen Seinslehre liegt also darin, daß sie das Sein nicht nur als Dasein, sondern als Seinsakt versteht, d. h. als das Prinzip aktuellen Seinsgehalts überhaupt. Alles Weitere, sowohl die Lehre vom Wesen als der das Sein begrenzenden Potenz als auch von der realen Differenz zwischen Sein und Wesen, ergibt sich als notwendige Folge aus dem Ansatz im Seinsakt. Vorläufig geht es uns hier um diesen allein. (189f; Fs) (notabene)

b) Die suarezianische Scholastik1 erhebt dagegen vor allem den zentralen Einwand: Der thomistischen Auffassung liegt ein kritisch unberechtigter Übergang von der Denkordnung in die Seinsordnung zugrunde. Denn der Begriff des Seins als der reinen Aktualität, die keine Begrenzung setzt oder einschließt, ist allein durch logische Abstraktion gewonnen. Im Bereich der endlichen Seienden finden wir jeweils bestimmt begrenzte Seinsgehalte der einzelnen konkreten Seienden vor. Wenn wir das Seiende allein unter der Rücksicht des in ihm gesetzten positiven Seinsgehalts betrachten, von der faktischen Begrenzung des Seinsgehalts aber absehen, können wir den Begriff eines reinen Seinsgehalts bilden; dieser Begriff setzt oder enthält keine Begrenzung des Seinsgehalts mehr, nachdem von seiner Begrenzung ausdrücklich abgesehen wurde. Und so können wir auch den Begriff des Seins als des reinen Seinsgehalts schlechthin bilden, in dem alle Positivität gesetzt, jegliche Negativität einer Grenze aber abstraktiv ausgeschlossen ist. (190; Fs) (notabene)

47/3 So ist zwar ein Begriff erreicht, der seinem Wesen und seiner Entstehung nach keinerlei Begrenzung des Seinsgehalts setzt oder einschließt, d. h. es ist der Begriff eines reinen Seinsgehaltes, aber nur ein Begriff, aus dem jedoch nichts für die reale Konstitution des Seienden folgt. Es folgt noch nicht, daß - zunächst allgemein - ein reiner Seinsgehalt nicht nur begrifflich, sondern auch wirklich etwas ist, was von sich aus keine Grenze zu setzen vermag, sondern, wenn er begrenzt ist, eines von ihm verschiedenen Prinzips der Begrenzung bedarf. Und es folgt im besonderen hinsichtlich des Seins - noch nicht, daß das Sein reine, von sich aus unbegrenzte und durch sich selbst nicht begrenzbare Aktualität setzt, die, wenn sie im endlichen Seienden faktisch begrenzt ist, eines vom Sein verschiedenen Prinzips der Begrenzung bedarf. (190f; Fs)

48/3 Hiermit werde ein logisches Begriffsverhältnis unkritisch in ein reales Seinsverhältnis übertragen. Dem aber liege ein platonisierender Begriffsrealismus zugrunde, der die begriffliche Allgemeinheit als eine reale Allgemeinheit hypostasiere; die durch abstraktive Aufhebung der Grenze gewonnene, darum unbestimmte und präzisive Unbegrenztheit eines Allgemeinbegriffs werde als bestimmte und positive Unbegrenztheit eines realen Seinsprinzips ausgegeben. (191; Fs)

49/3 Diesem Einwand ist zuzugeben, daß allein auf Grund der begrifflichen Abstraktion der Seinsakt als Prinzip unbegrenzten Seinsgehalts nicht aufgewiesen werden kann; dies wäre tatsächlich ein kritisch nicht gerechtfertigtes Vorgehen. Und weiter ist zuzugeben, daß in den Lehrbüchern thomistischer Metaphysik vielfach kein anderer Aufweis hierfür erbracht wird, ja daß vielfach das Prinzip des 'actus de se illimitatus' sogar ohne jeglichen Aufweis als Axiom hingestellt wird, das den Anspruch unmittelbarer Evidenz zu erheben scheint. Dieser Sachverhalt verlangt jedoch einen vermittelten Aufweis, der das Seiende in seinem Sein erschließt und aus seinem Sein begründet, wie wir es versucht haben. Wird ein solcher Aufweis versäumt, so wiegt das Versäumnis umso schwerer, als es sich hier um den entscheidenden Angelpunkt thomistischer Metaphysik handelt, der nicht unkritisch vorausgesetzt werden darf, sondern sehr sorgfältig durch vermittelndes Denken bewiesen werden muß. (191; Fs) (notabene)


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