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Autor: Pesch, Rudolf

Buch: Römerbrief

Titel: Römerbrief

Stichwort: Römerbrief präformiert im Galaterbrief; Judaisten, Judenchristen - Paulus; Beschneidung, Tora - Sühnetod, Glaubensgerechtigkeit

Kurzinhalt: Mit solcher Argumentation heilsgeschichtlicher Deduktion aus der Schrift forderten die Gegner Paulus heraus, nun seinerseits sein Evangelium als heilsgeschichtlich und schriftgemäß begründet zu erweisen ...

Textausschnitt: 9b Finden sich in 2 Kor 3 erst skizzenhafte Andeutungen der paulinischen Position im Streit mit den Gegnern - Paulus hatte die Verkündigung des Evangeliums von der synagogalen Verkündigung der Tora abgesetzt -, so tritt diese, zum Teil polemisch überspitzt, im Kampfbrief an die Galater und in Phil 3, einem vermutlich ursprünglich selbständigen Kampfschreiben, nun deutlich ausgearbeitet hervor. Wahrscheinlich hatte Paulus erst jetzt »das andere Evangelium« seiner judenchristlichen Gegner genauer kennengelernt, deren Argumentation, deren Theologie, mit der sie ihre judaisierenden Forderungen begründeten. Aus dem Galaterbrief läßt sich erschließen, was die Gegner den paulinischen Gemeinden vortrugen: Wer als Heidenchrist wie die beschnittenen Judenchristen des vom Messias Jesus gebrachten Heils ganz teilhaftig werden wolle, der müsse nicht nur wie Abraham glauben (Gen 15), sondern auch sich beschneiden lassen (Gen 17), so zum Glied des Volkes der Erwählung werden und »das ganze Gesetz halten« (Gal 5:3); denn Abraham »und seinen Nachkommen« (Gal 3:16), seinen Kindern, das heißt den Beschnittenen, sei das eschatologische Heil zugesagt worden, dessen Verheißung der Messias Jesus zur Erfüllung gebracht habe; die Heidenchristen müßten Abrahamskinder werden, denn auch nur Isaak, nicht Ismael, habe an dem mit Abraham geschlossenen Bund partizipiert (Gal 4:21ff), wie es z. B. im Jubiläenbuch ausgelegt war: »Aus den Söhnen Isaaks werde ein heiliger Same sein, und er werde nicht unter die Völker gerechnet werden. Denn er werde Anteil des Höchsten sein, und unter das, was Gott besitze, falle all sein Same, damit er für den Herrn ein Volk der Sohnschaft sei vor allen Völkern und daß er ein Königtum sei und ein Priestertum und ein heiliges Volk« (16:17f). (Fs)

10a Mit solcher Argumentation heilsgeschichtlicher Deduktion aus der Schrift forderten die Gegner Paulus heraus, nun seinerseits sein Evangelium als heilsgeschichtlich und schriftgemäß begründet zu erweisen; mit ihrem Insistieren auf der Beschneidungsforderung und der Toraobservanz für die »Sünder wie die Heiden« (Gal 2:15), die nur unter der Tora durch deren Erfüllung dem Fluch des Gesetzes (Dtn 27:26 in Gal 3:10) entkommen könnten, zwangen sie Paulus, eindeutig - und mit polemischen Formulierungen, in denen sich der Apostel der Gefahr aussetzte, im Sinne eines grundsätzlichen Antinomismus (als ob er tatsächlich das Gesetz Gottes verteufle) und Antijudaismus (als ob er Israels Erwählung negiere) mißverstanden zu werden - herauszuarbeiten, »daß der Mensch nicht durch Werke des Gesetzes gerecht wird, sondern durch den Glauben an Jesus Christus« (Gal 2:16). Während Paulus in Phil 3 am Beispiel seiner eigenen Person die Bekehrung zum Christusglauben als radikalen Bruch mit seiner Vergangenheit im Judentum und dessen Eifer für das Gesetz herausstellt, holt er im Galaterbrief weiter aus, begründet die Glaubensgerechtigkeit christologisch mit dem Sühnetod Christi (2:19f; 3:13; 4:4f) und zeigt, daß die Glaubensgerechtigkeit, die schon Abraham zukam, der Tora zeitlich und sachlich vorausgeht, daß die Abraham gegebene Verheißung durch die Tora nicht nachträglich aufgehoben werden konnte (3:15ff), daß das Gesetz nur »durch einen Mittler« in Geltung gesetzt wurde (3:19f) und daß es nicht Leben schaffen, sondern nur die Sünder unter der Sünde festhalten konnte (3:22) bis zum Kommen des Messias (3:23ff); daß also gemäß der Schrift die Glaubenden als Kinder »der Freien« die wahren Kinder Abrahams sind und nicht die beschnittenen Gesetzesbeobachter als Sklaven (4:21ff). Nicht wohlwollend und nicht aus der unpolemisch-abgeklärten Perspektive des Römerbriefs gelesen, warfen die Ausführungen des Paulus in Phil 3 und im Galaterbrief die Fragen auf, ob der Apostel denn noch in der Lage sei, die Tora als Gottes Gesetz, als »heilig« (Röm 7:12) zu begreifen und die heilsgeschichtliche Rolle Israels anders denn negativ zu beurteilen, daran festzuhalten, daß »Gottes Wort (für Israel) nicht hinfällig« (Röm 9:6) geworden sei. Diese Fragen arbeitet Paulus im Römerbrief, der durch den Galaterbrief schon präformiert erscheint (vgl. Gal 2:15-21 mit Röm 3:19-28; Gal 3:6-29 mit Röm 4:1-25; Gal 3:26-28 mit Röm 6:3-5; Gal 4:1-7 mit Röm 7:1-8:16; Gal 4:21-31 mit Röm 9:6-13; Gal 5:13-15 mit Röm 13:8-10; Gal 5:16-26 mit Röm 8:12f), nun gründlich auf, um Klarheit über sein Evangelium, das Evangelium zu schaffen, das die in Christus geschaffene Einheit von Juden und Heiden begründet. (Fs)

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