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Autor: Rhonheimer, Martin

Buch: Natur als Grundlage der Moral

Titel: Natur als Grundlage der Moral

Stichwort: Handlungsobjekt, Wille: actus interior oder elicitus - actus exterior (der imperatus; imperium - bonum rationis

Kurzinhalt: Wenn von einem "inneren" und von einem "äußeren" Akt die Rede ist, so ist mit "äußerem" Akt nicht primär das "äußere", d. h. sich nach außen hin manifestierende und sichtbare Tun gemeint; sondern ...

Textausschnitt: 325a Abgesehen von jenen menschlichen Handlungen, die vom Willen allein vollzogen werden (ein innerer Akt der Gottesliebe, ein bloßer "Wunsch"), zeigt ein actus humanus eine "zusammengesetzte" Struktur auf: Er ist, als vom Willen bewegter und "befohlener" Akt ein Kompositum aus einem inneren Akt des Willens (actus interior oder elicitus) und einem äußeren Akt (actus exterior oder imperatus). Die überwiegende Mehrzahl menschlicher Handlungen vollziehen sich ja vermittels (durch den usus) einer anderen Seelenpotenz oder/und eines oder mehrerer Körperorgane. Der Wille beherrscht oder "regiert" diese Akte anderer Potenzen bzw. Organe durch sein Imperium. Der innere Willensakt und der äußere actus imperatus verhalten sich zueinander wie Form und Materie und bilden einen einzigen actus humanus.1 (Fs) (notabene)

325b Menschliche Akte sind also immer personale Akte; d. h., sie werden nicht von einer Potenz oder einem Organ vollzogen, sondern vom erkennenden und wollenden Menschen, vermittels anderer Potenzen. Es ist der Mensch, der einen anderen Menschen zeugt, und nicht die menschliche Zeugungspotenz.1 Die Einheit zwischen innerem und äußerem Akt, von Imperium und actus imperatus drückt also letztlich diese personale Struktur menschlichen Akte aus: Es vollzieht sich im menschlichen Handeln eine personale Integration aller Ebenen des menschlichen Seins. (Fs)

325c Zur terminologischen Klarheit: Wenn von einem "inneren" und von einem "äußeren" Akt die Rede ist, so ist mit "äußerem" Akt nicht primär das "äußere", d. h. sich nach außen hin manifestierende und sichtbare Tun gemeint; sondern ein jeder Akt einer Seelenpotenz, insofern er dem Imperium des Willens unterliegt. So ist beispielsweise in einem willentlichen Akt des sinnlichen Begehrens der "äußere Akt" (actus exterior) der Akt der sinnlichen "vis concupiscibilis", insofern er einem Imperium des Willens unterliegt, auch wenn dieser Akt sich in keiner Weise "nach außen hin" manifestiert und man nichts "tut"; der "innere Akt" ist der Akt des Willens, der diesen äußeren Akt zum Gegenstand oder zum Ziel hat, der also dieses Begehren "will".2 (Fs) (notabene)
325d Der sogenannte "äußere Akt" ist also ebenfalls ein Willensakt, aber nicht ein solcher, den der Wille "aus sich selbst" hervorbringt (dies wäre ein "actus elicitus"), sondern ein Akt, den der Wille vermittels eines Imperium über andere Potenzen und Körperorgane vollzieht. Es wäre deshalb sinnvoll, zwischen "actus exterior" und "actus externus" zu unterscheiden: Letzterer wäre das nach außen sichtbare, das "äußere Tun", im Gegensatz zu rein inneren Wünschen, Gefühlen usw. Wenn Thomas, dies sei einmal festgehalten, den "actus exterior" als Objekt bezeichnet, so meint er eben gerade nicht den Gegenstand des "äußeren Tuns", sondern denjenigen des Willens, insofern er sich durch ein Imperium auf den Akt einer von ihm verschiedenen Potenz erstreckt. (Fs) (notabene)

326a Damit wäre zunächst einmal folgendes geklärt: Das Objekt von sittlichen Handlungen ist immer ein Gegenstand des Willens. Insofern ein actus humanus, was der Normalfall ist, durch das Imperium über den Akt einer anderen Potenz vollzogen wird, so ist das "Objekt" dieser menschlichen Handlung nicht der Gegenstand dieses Aktes der anderen Potenz, sondern vielmehr deren Akt selbst, insofern er dem Imperium des Willens unterliegt, - und das heißt auch: insofern er von der Vernunft geordnet ist, also als bonum rationis. (Fs)

326b Denn das "imperium", das der Wille über andere Potenzen und deren Akte ausübt, ist ja wesentlich ein Akt der ordnenden Vernunft, also eine "ordinatio rationis"1, die allerdings vom Willen bewegt und in dessen appetitive Dynamik eingebettet ist.2 Das imperium entspricht demnach, wie bereits im ersten Teil ausgeführt wurde, präzis der präzeptiven Struktur der praktischen Vernunft. (Fs)
326c Deshalb können wir dasselbe Handlungsobjekt jeweils unter zwei Gesichtspunkten betrachten: Abstrahiert von seinem "Gewollt-Sein" als der im Imperium durch die ratio geordnete "actus exterior", d. h. als Objekt der (praktischen) Vernunft; und zweitens: als Gegenstand des diesem imperium unterliegenden inneren Aktes des Willens. Handlungsobjekte sind immer Objekte der praktischen Vernunft und des Willens, und nur insofern sind sie Objekte eines actus humanus, d. h. sogenannte "moralische Objekte". (Fs)

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