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Autor: Rhonheimer, Martin

Buch: Natur als Grundlage der Moral

Titel: Natur als Grundlage der Moral

Stichwort: Tugend; Telos-Charakter; der Tugendhafte, spoudaios

Kurzinhalt: Der Tugendhafte ... dem also dieses Gute jeweils "attraktiv", angenehm, lustvoll erscheint und es deshalb mit Leichtigkeit und Freude vollbringt ... der "sich selbst Gesetz ist

Textausschnitt: 268b Der Begriff der sittlichen Handlung (bzw. der "richtigen Handlungsweise") wird also gerade durch die Analyse des Begriffes der sittlichen Tugend überhaupt erst durchsichtig. Es geht bei einer sittlichen Handlung immer darum, die an der Vernunft als Telos gemessene Ordnung der Seele zu wahren bzw. zu schaffen. Eine sittliche Handlung ist also eine solche, durch die die menschlichen Strebungen und äußeren Handlungen, insofern sie diesen Strebungen entspringen, auf das "Gut" der Vernunft ausgerichtet werden, jenes Gut also, das ja im Prozeß der natürlichen Vernunft auf praktische, d. h. präzeptive Weise erkannt wird. Zugleich ist die sittliche Tugend selbst wiederum Bedingung dafür, daß dieses sittliche Gute - das "bonum rationis" - wirklich auch im konkreten Streben und Handeln zum Tragen kommt. Deshalb gerade besteht die sittliche Vollkommenheit - die Vollkommenheit der personalen Autonomie - in der Tugend, durch die die natürliche Vernunft in ihrer gesetzgeberischen Aufgabe voll zum Durchbruch gelangt und die Strebepotenzen des Menschen, Wille und Sinnlichkeit, das "Siegel der Vernunft" in sich tragen, sodaß sie habituell nach dem Guten streben, das der Vernunft, der imago Dei im Menschen, entspricht. Der Tugendhafte ist eben derjenige, der sein Wollen [sic; eg: mit seinem Wollen] und auch mit seinen sinnlichen Strebungen das vernunftgemäß-Gute erstrebt; dem also dieses Gute jeweils "attraktiv", angenehm, lustvoll erscheint und es deshalb mit Leichtigkeit und Freude vollbringt. Der Tugendhafte ist auch derjenige, dem das wahrhaft Gute, das Vernunftgemäße, jeweils auch als das Gute erscheint, und der deshalb auf quasi spontane Weise gut handelt, ohne große Überlegung und vor allem ohne dabei gegen sich selbst ankämpfen zu müssen. Er ist der Kluge oder der spoudaios, von dem Aristoteles spricht und den er als Maß und Regel des sittlich Guten bezeichnet1; der Tugendhafte ist schließlich derjenige, den Thomas mit Paulus jenen nennt, der "sich selbst Gesetz ist2". (Fs)

269a Dies klingt zunächst reichlich abstrakt und wenig "lebensnah". Man braucht jedoch nur die "Secunda Secundae", die spezielle Moral also, zu Hand zu nehmen, um die Lebensnähe und zugleich die große Tragweite und Tiefe dieser Bestimmung der sittlichen Handlung zu erfassen. Entscheidend dafür ist aber immer, daß man sich der Natur, Bedeutung und des Ursprungs der menschlichen Vernunft als imago Dei und natürliches Licht, sowie ihrer darauf beruhenden Telos-Funktion und Maßstäblichkeit bewußt bleibt. (Fs)

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