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Autor: Kauffmann, Clemens

Buch: Leo Strauss zur Einführung

Titel: Leo Strauss zur Einführung

Stichwort: Sokrates, politische Philosophie: Problem der Grenze; Dichtung - Philosophie;

Kurzinhalt: Platon verlangt nicht nur, daß die Dichtung eine »Hilfskunst« sein müsse, sondern er wählt für die Darstellung seiner Philosophie ebenfalls ein nicht-autonomes Hilfsmittel aus dem künstlerischen Bereich ...

Textausschnitt: 185a Das Problem des Ursprungs und der Grenzen der Rationalität ist in gewisser Weise das Problem des Sokrates oder das Problem der klassischen politischen Philosophie überhaupt. Das Problem, das die klassische politische Philosophie lösen wollte, das Hindernis, das sie überwinden wollte, findet sich in der Darstellung des Sokrates durch Aristophanes in einer Kritik an der Philosophie aus politischer Perspektive, die darauf abzielt, die Unabhängigkeit des philosophischen Denkens gegenüber seiner Integration in die autonome Dichtung einzuschränken. Es ist deshalb auch keine alternative politische Philosophie, es ist die autonome Dichtung, mit der sich die klassische Philosophie als ihrem Gegenmodell auseinanderzusetzen hat. Daraus ergibt sich das schwierige Verhältnis zwischen Dichtung und Philosophie, insofern die Philosophie einerseits auf die Dichtung als »Hilfskunst« angewiesen ist, die zwischen ihr und der politischen Sphäre dank »edler Täuschungen« vermitteln kann, sie aber andererseits den Anspruch der autonomen Dichtung, Gerechtigkeit zu lehren und so das politische Problem zu lösen, zurückweisen muß. Die Übereinstimmung zwischen Philosophie und Dichtung geht in dieser Situation denkbar weit. Das Thema der Dichtung ist die menschliche Seele, und sie verfügt über ein Wissen von der Seele, so daß Strauss sie als »psychologia kai psychagogia« bezeichnet, als Verständnis von der Seele und als Seelenführung. Genau das aber ist auch die Platonische Philosophie. »Der Kern oder die arche, das begründende Prinzip der Platonischen Philosophie ist die Lehre von der Seele, und dieser Kern oder diese arche ist identisch mit dem Thema der Dichtung.« Eine noch weiter gehende Übereinstimmung zeigt sich in der Darstellung der Platonischen Philosophie im Dialog, einer Art Drama oder Dichtung. Platon verlangt nicht nur, daß die Dichtung eine »Hilfskunst« sein müsse, sondern er wählt für die Darstellung seiner Philosophie ebenfalls ein nicht-autonomes Hilfsmittel aus dem künstlerischen Bereich, wobei beides dem Verständnis der menschlichen Seele dienen soll. Die Präsentation der Platonischen Philosophie soll wie die Dichtung das ganze Sein berühren, weil sie tatsächlich als die Lösung des menschlichen Problems, des Problems der Glückseligkeit, und daher nicht als Lehre, sondern als Lebensweise angenommen werden will. Die einzige noch mögliche Unterscheidung ist die, daß die Dichtung andere, unterlegene Lebensweisen repräsentiert und die Philosophie als Lösung des menschlichen Problems ausschließt. Insoweit aber nach Platon und Aristoteles das menschliche Problem nicht mit politischen Mitteln lösbar ist, sondern nur durch die Philosophie und die philosophische Lebensweise, ist die Dichtung der Philosophie unterlegen.1 (Fs)

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