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Autor: Kauffmann, Clemens

Buch: Leo Strauss zur Einführung

Titel: Leo Strauss zur Einführung

Stichwort: Xenophanes - Sokrates; Mäßigung; Politik - Philosophie wie Enthaltsamkeit - Tugend;

Kurzinhalt: Xenophons sokratische Schriften können als eine Antwort auf die Darstellung des Sokrates bei Aristophanes gelesen werden ...

Textausschnitt: 172a Xenophons sokratische Schriften können als eine Antwort auf die Darstellung des Sokrates bei Aristophanes gelesen werden. Der Sokrates des Xenophon ist das genaue Gegenteil von dem des Aristophanes. Sokrates erscheint bei Xenophon nicht als der bloße Betrachter von Dingen im Himmel und unter der Erde, sondern als der politische Erzieher par excellence. Er verfügt über praktische Weisheit, wie man nur über sie verfügen kann. Das zeigt sich unter anderem in seinen militärischen Fähigkeiten, die Sokrates anders als Kyros, der Gegenpol im Werk Xenophons, nicht ausüben wollte. Die Grundlage seiner Funktion als politischer Erzieher ist die Erkenntnis von der Unterschiedlichkeit der einzelnen Menschen hinsichtlich ihrer Talente und ihrer moralischen Eignung und die Fähigkeit, sie entsprechend unterschiedlich anzusprechen und zu behandeln. Sokrates versteht die Natur der politischen Dinge und hat erkannt, daß sie nicht einfach vernünftig, sondern auch durch Leidenschaften und andere Kräfte bestimmt sind. Sie sind eine Klasse für sich, wie die noetische Heterogenität des Ganzen zeigt. Zwischen dem Gemeingut, der auf die politische Sphäre zugeschnittenen Gerechtigkeit, und dem privaten Gut besteht ein wesentlicher Unterschied, vor allem, wenn das private Leben ein philosophisches Leben ist.
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173a Mäßigung ist das zentrale Merkmal der Weisheit des Sokrates, verstanden als die Anerkennung der noetischen Heterogenität des Ganzen und damit als Anerkennung der wesentlichen Differenz zwischen dem Politischen und dem Nicht-Politischen. Mäßigung führt zu politischer Umsicht und dem spezifisch politischen Verhalten des Philosophen. Mäßigung bedeutet für einen Philosophen in erster Linie, bestimmte Meinungen anzuerkennen, nicht weil sie wahr sind, sondern weil sie heilsam sind für das politische Leben, das die Voraussetzung der philosophischen Existenz ist. Dazu gehören die Meinungen über die gesetzlichen Götter und die Respektierung der öffentlichen Frömmigkeit, auch wenn klar ist, daß der Philosoph als Philosoph eigene, private Ansichten über die Religion hegt. »Das Politische ist tatsächlich nicht das Höchste, aber es ist das Erste, weil es das Dringendste ist. Es verhält sich zur Philosophie, wie sich Enthaltsamkeit zur eigentlichen Tugend verhält. Es ist die Grundlage, die unverzichtbare Bedingung.« (Fs)

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