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Autor: Rhonheimer, Martin

Buch: Natur als Grundlage der Moral

Titel: Natur als Grundlage der Moral

Stichwort: Zusammenfassung: objektives Naturgesetz als "Naturordnung - subjektiver Erkenntnisgrund

Kurzinhalt: objektives Naturgesetzes und Subjekt = deckungsgleich, nicht wie Naturordnung - Vernunft; Rahner (Fuchs); ... daß die Frage nach dem Naturrecht von der "lex naturalis" und nicht von der "menschlichen Natur" her beantwortet werden muß

Textausschnitt: 141a Bezüglich der anfangs kritisierten Unterscheidung eines "objektiven Naturgesetzes" als "Naturordnung" und seinem "subjektiven Erkenntnisgrund", der Vernunft als "Organ" der Erkenntnis dieser Naturordnung, läßt sich nun folgendes präzisieren: In diesem Schema wird das Verhältnis von "Naturgesetz" und seiner Erfassung als "objektive Gegebenheit" auf den Kopf gestellt. In Wirklichkeit verhält es sich gerade umgekehrt: Das "Ursprüngliche" ist die Konstituierung der "lex naturalis" durch die natürliche Vernunft; erst in zweiter Linie wird, in der Reflexion, der durch den präzeptiven Akt der "ratio naturalis" konstituierte "ordo rationis" als ein "objektives" Naturgesetz erkannt - und durch die "reditio" als ein aus dem menschlichen "Sein" sich ergebendes "Sollen"; aufgrund dieser Reflexion als Selbsterfahrung der praktischen Vernunft kann sich dann auch ein habituelles Wissen um dieses Gesetz herausbilden, das im Gewissensurteil jeweils auf das Handeln appliziert wird. Dabei stehen sich die beiden "Bereiche" des "objektiven Naturgesetzes" ("ordo rationis") und des dieses Naturgesetz objektivierenden Subjektes nicht "gegenüber" wie Vernunft und "Naturordnung"; vielmehr sind sie deckungsgleich. Denn wenn die menschliche Vernunft das Naturgesetz als "objektives Gesetz" erkennt, so tut sie dies in der Reflexion über ihren eigenen ordinativen Akt. Der Mensch findet deshalb im Naturgesetz nicht eine ihm "gegenüberstehende" Naturordnung, die er sich "aneignen" oder die er als "aufgegebene" "nachvollziehen" müßte, sondern er erkennt vielmehr im Naturgesetz sich selbst wieder und dabei auch, unabhängig und vor aller Erkenntnis der "Theonomie", den verpflichtenden Charakter dieser Ordnung, die ja diejenige seiner eigenen praktischen Vernunft ist. (Fs) (notabene)

141b Um erneut eine historische Reminiszenz einzuschalten: Es ist erstaunlich, daß Josef Fuchs seinerzeit im Hauptwerk seiner "ersten Phase"1 den Begriff "lex naturalis" kaum verwendet und ihn überhaupt nicht analysiert. Er handelt zwar von der Natur des Menschen, von Umfang, Inhalt und Erkennbarkeit des Naturgesetzes und des Naturrechtes, aber nirgends findet sich eine nähere Bestimmung dessen, was denn "Naturgesetz" eigentlich heiße. Auch Karl Rahner ist erstaunlicherweise in seiner Kritik an Fuchs damals dieser doch entscheidende Punkt entgangen; auch für ihn stellte sich als einziges Problem, wie man denn die menschliche Natur als Grundlage des Naturrechtes bestimmen könne. Dabei verfehlt man die Gelegenheit, zu erkennen, daß die Frage nach dem Naturrecht (dem "naturaliter iustem") von der "lex naturalis" und nicht von der "menschlichen Natur" her beantwortet werden muß; oder, wie man auch sagen könnte: nicht von der menschlichen Natur schlechthin, sondern von dieser Natur unter dem Gesichtspunkt ihrer operativen Entfaltung gemäß der Ordnung der "lex naturalis". (Fs) (notabene)

[...]

142b Viel zu solchen ungenauen Begriffen des Naturgesetzes hat denn auch öfters die thomistische Unterscheidung zwischen "natura" und "ratio" beigetragen. Denn im Kontext dieser Unterscheidung gehört die "lex naturalis" (oder "lex naturae") ja gerade auf die Seite der ratio" und nicht der "natura", wobei auch diese "ratio", unbeschadet der genannten Unterscheidung, selbst auch "Natur" ist, bzw. einen natürlichen Akt besitzt. Die "natura" hingegen, insofern sie von der "ratio" unterschieden wird, besitzt den Charakter eines "praesuppositum" des "ordo rationis", bzw. den einer "inchoatio" des "ordo virtutis". Und dieser "ordo rationis" (oder "virtutis") bildet den Gegenstandsbereich des Naturgesetzes, das eben - um es zu wiederholen - nicht deshalb natürliches Gesetz heißt, weil es "a natura" besteht oder mit naturhaften Gesetzmäßigkeiten identifiziert werden könnte, sondern weil es einer "ordinatio" der "ratio naturalis" entspricht und sich ordinativ auf das "proprium" der natürlichen Neigungen erstreckt und deshalb auch ein naturgemäßes Handeln, ein Handeln gemäß der menschlichen Natur, ermöglicht, das - wie Thomas ohne zu ermüden wiederholt - eine "agere secundum rationem" ist. (Fs)

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