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Autor: Rhonheimer, Martin

Buch: Natur als Grundlage der Moral

Titel: Natur als Grundlage der Moral

Stichwort: Ableitung der Sittlichkeit aus der Natur: methodologischer Fehlschluss

Kurzinhalt: Einwand: operari sequitur esse; wir erkennen jedoch, gerade umgekehrt, das Wesen der Dinge aufgrund ihrer Akte. Das primum in essendo bleibt dabei das ultimum in cognoscendo.

Textausschnitt: 38c Mit diesen Fragen, so denke ich, werden nicht offene Türen eingerannt. Es geht ja nur darum, obige Aussage beim Wort zu nehmen. Man könnte einwenden: Was etwas sein soll - seine Vollkommenheit - könne man aus seiner Natur ablesen. Jedes Seiende besitze ja ein Wesen und ihm entspringende Potenzen, die als Grundlage seiner Tätigkeit diese selbst als gut oder schlecht qualifiziere: operari sequitur esse. (Fs) (notabene)

38d Das soll nicht bestritten werden, würde uns aber nur dann weiterhelfen, wenn wir die geschaffene Wirklichkeit mit den Augen des Schöpfers zu erkennen vermöchten, d. h. im Lichte der lex aeterna. Wir erkennen jedoch, gerade umgekehrt, das Wesen der Dinge aufgrund ihrer Akte.1 Das primum in essendo bleibt dabei das ultimum in cognoscendo. Da nun aber der Mensch, im Unterschied zu den anderen Geschöpfen, in seinem Handeln keiner "determinatio ad unum" unterliegt, seine Akte also frei sind, und deshalb "naturgemäß" aber auch nicht "naturgemäß" vollzogen werden, d. h. "gut" oder aber auch "schlecht", der Tugend entsprechen oder ihr entgegengesetzt sein können, so sind sie aufgrund der Faktizität ihrer Setzung sittlich noch nicht qualifizierbar, - auch wenn eine bestimmte Handlungsweise unter den Menschen einer bestimmten Epoche oder in einer bestimmten Gesellschaft die Regel, das "Normale" sein sollte. (Fs)

39a Für die Wissenschaft vom sittlichen Handeln genügt deshalb in keiner Weise eine rein empirische Feststellung dessen, was die Menschen tun. Aber auch eine metaphysische Feststellung der "Natur" des Menschen kann hier zumindest nicht den Ausgangspunkt bilden, denn eine für die Ethik relevante Metaphysik oder Anthropologie setzt aus dem gleichen Grund bereits einen Begriff des menschlichen Handelns als spezifisch, und nicht nur empirisch-faktisch, menschliches Handeln voraus. (Fs) (notabene)

39b Mit der Berufung auf die "Wesensnatur" als Grundlage der Beurteilung der Angemessen-heit von Handlungen begibt man sich deshalb methodologisch gesehen in eine Sackgasse. Es sei betont: Es handelt sich um eine Frage der Erkenntnisweise und der Methode, die vor allem den Gegenstand selbst in seiner Eigenart respektiert, - und das heißt hier den Menschen, der - wie sich im Verlauf der folgenden Erörterungen zeigen wird - keine res naturalis, kein "Naturding" ist. Der Mensch, insofern er ein sittlich handelndes Wesen ist, transzendiert gerade durch Vernunft das, was nur "Natur" ist. Aus einem Begriff des Wesens des Menschen kann die Bestimmtheit dieser Transzendenz nicht schon abgeleitet werden. Vielmehr wird gerade erst das "Wesen" des Menschen durch die Analyse des sittlichen Handelns erhellt und transparent. (Fs)

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