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Autor: Rhonheimer, Martin

Buch: Die Perspektive der Moral

Titel: Die Perspektive der Moral

Stichwort: Prinzipien über die Beurteilung der Folgen von Handlungen (7Punkte)

Kurzinhalt: (3) Für die üblen Folgen unserer schlechten Handlungen tragen wir ebenfalls die Verantwortung, auch wenn diese Folgen nicht vorausgesehen waren. Wir hätten sie ja vermeiden können ...

Textausschnitt: 334a Aufgrund dieser intentionalen Analyse von Handlungen können wir nun einige Prinzipien darüber formulieren, wie die Folgen unserer Handlungen zu beurteilen sind. (Fs)
(1) Jene Folgen, die Objektbedingung sind, prägen den objektiven Gehalt dessen, was wir wählen. Ob eine Folge Objektbedingung ist, beurteilt die Vernunft hinsichtlich der Ziele der Tugenden. Wenn "A ein Pferd wegnehmen, das er rechtmäßig besitzt" zur Folge hätte, dass sich das Pferd verdoppelte und jetzt A und B ein Pferd besitzen würden, so läge hier keine Ungerechtigkeit vor. Nun ist aber die Folge des Wegnehmens, dass A ein Pferd, auf dessen Besitz ihm ein Rechtsanspruch zusteht, nicht mehr besitzt. Folglich ist die Handlung objektiv ungerecht. (Fs)

(2) Für die guten Folgen unserer guten Handlungen tragen wir zusätzlich das Verdienst und wird man uns entsprechend auch loben. Dies sogar, wenn wir sie nicht voraussehen konnten. (Fs)

(3) Für die üblen Folgen unserer schlechten Handlungen tragen wir ebenfalls die Verantwortung, auch wenn diese Folgen nicht vorausgesehen waren. Wir hätten sie ja vermeiden können, wenn wir getan hätten, was gut ist bzw. wenn wir jene schlechte Handlung nicht vollzogen hätte, aus der sich die üblen Folgen ergaben. (Fs)

(4) Die guten Folgen schlechter Handlungen können dem Handelnden nicht als Verdienst angerechnet werden. Denn die eigentliche, zurechenbare Folge ist die schlechte Folge, d.h. jene Wirkung, die eine schlechte Handlung eben schlecht macht, und das ist diejenige Folge, welche die intentionale Identität der Handlung konstituiert (z.B. Verletzung eines Rechtsanspruchs). Was sich daraus überdies an Gutem ergeben mag, ist gemäß obigen Bestimmungen dann als Nebenfolge (Umstand) der intentionalen Handlung zu betrachten, auch wenn sie mit der Absicht vollzogen wurde, diese Folge zu bewirken. (Fs)

(5) Für die nicht-voraussehbaren üblen Folgen unserer guten Handlungen sind wir nicht verantwortlich. Sie sind schlechterdings nicht-intentional, vorausgesetzt, dass wir sie wirklich nicht voraussehen konnten. (Fs)

(6) Die vorausgesehenen üblen Folgen der Unterlassung einer Handlung können uns dann nicht zugerechnet werden, sofern der Vollzug der unterlassenen Handlung objektiv schlecht gewesen wäre (=der Zweck heiligt nicht die Mittel); des weiteren gilt Prinzip (4). (Fs)

(7) Die vorausgesehenen üblen Folgen objektiv guter Handlungen können dem Handelnden nicht zugerechnet werden, vorausgesetzt, (a) diese Handlung wurde nicht gerade deshalb vollzogen, um diese Folge zu bewirken (d.h. es gibt unabhängig von ihrem voraussichtlichen Eintreten einen Grund, die Handlung zu vollziehen); (b) der Grund, die Handlung trotz Voraussicht der üblen Folge zu vollziehen, ist der Folge angemessen schwerwiegend und (c) man hat alles weitere in seiner Macht Stehende getan, damit die üble Folge nicht eintritt. Die üble Folge ist dann ebenfalls nicht-intentional, d.h. eine nichtintentionale Nebenfolge. (Fs)

334b Gerade dies letztere Prinzip ist das umstrittenste. Es ist das Prinzip des "indirekten Handelns" bzw. besser: des "indirekt Gewollten" (voluntarium indirectum), oft auch formuliert als Prinzip der "Handlung mit Doppeleffekt". Genauer: Umstritten ist die Relevanz der Unterscheidung zwischen Prinzip (6) und (7). (Fs)

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