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Autor: Rhonheimer, Martin

Buch: Die Perspektive der Moral

Titel: Die Perspektive der Moral

Stichwort: Unfehlbarkeit, Klugheit

Kurzinhalt: Die "Unfehlbarkeit" der Klugheit meint eben, dass der Kluge unfehlbar wählt, was "gut" ist, was "sittlich richtig" ist, d.h. was mit den Zielen der Tugenden übereinstimmt

Textausschnitt: [...] Die "Unfehlbarkeit" der Klugheit meint eben, dass der Kluge unfehlbar wählt, was "gut" ist, was "sittlich richtig" ist, d.h. was mit den Zielen der Tugenden übereinstimmt. "Von der Sache her" ist es vielleicht nicht unbedingt das Beste (es kann auch durchaus nur "für mich das Beste" sein, aufgrund ganz persönlicher Umstände). Diese moralische Unfehlbarkeit kann auch - besonders in komplexen und neuartigen Situationen - einhergehen mit Unsicherheit, Schwanken oder subjektiver Ungewissheit. Aber das Tun des Klugen wird immer ein solches sein, das mit dem Ziel der Tugend in Übereinstimmung steht; er wird nichts Ungerechtes tun, nicht überstürzt oder maßlos handeln. Gerade im Bereich der Tugenden des Maßes und des Starkmutes werden ihn seine wohlgeordneten Affekte einen klaren Kopf bewahren helfen, wodurch es ihm einfach fallen wird, das Richtige zu sehen. Er wird nicht aus Feigheit, Bequemlichkeit, Ressentiment u. ä. zu Ungerechtem neigen, etwa parteilich sein; er wird sich nicht, da lasterhaft, ein X für ein U vormachen. Er hat ein Gespür für das Recht des anderen, er liebt die Wahrheit, auch wenn sie ihm unbequem ist. Er ist fähig, loyal zu sein, opferbereit, solidarisch, d.h. ihm ist es am Wohl des Mitmenschen wirklich gelegen, er hat ein aufrichtiges Interesse daran (gemäß der Goldenen Regel), und deshalb werden seine Handlungsurteile gerecht sein. (Fs)


262b Es geht demnach um die Frage, wie jeneslnenschlich Gute, das der Intellekt auf der allgemeinen Ebene der Prinzipien erkennt bzw. als praktisches Gebot konstituiert, bis hin auf das konkrete Handeln übertragen werden kann, so dass] dieses Handeln eben tatsächlich mit diesem Guten übereinstimmt (dies ist die praktische/Wahrheit des Handlungsurteils), d.h. den Menschen zu diesem Guten hinführt und in so zu/einem "guten Menschen" werden lässt. Wir wollen ja gerechte Menschen sein; aber Gerechtigkeit können Wir praktisch nicht verwirklichen, indem wir einfach nach Gerechtigkeit streben; wir müssen Gerechtes tun und uns von Ungerechtem enthalten. Der Kluge ist derjenige, der - was auch immer er wählen mag - wählt, was mit dem Ziel der Gerechtigkeit in Übereinstimmung steht und damit dieses Ziel und das entsprechende Prinzip erfüllt. Darin besteht seine "Unfehlbarkeit", die aber nicht impliziert, dass zwischen dem "Prinzip Gerechtigkeit" und der konkreten, durch die Klugheit bestimmten Handlung gleichsam eine ein-eindeutige Beziehung bestünde. Und noch weniger ist gemeint, dass aus allgemeinen Gerechtigkeitsprinzipien irgend etwas für das konkrete Handeln abgeleitet oder erschlossen werden könnte. Dennoch aber ist die konkrete gerechte Handlung eben Verwirklichung und Erfüllung des Prinzips Gerechtigkeit, und damit von Vernünftigkeit, wodurch der Handelnde zu einem gerechten Menschen wird, - sogar wenn er sich hie und da in der Sache irrt oder sub-optimal handelt. Diese sittliche "Unfehlbarkeit" der Klugheit enthebt sie deshalb auch nicht der Aufgabe des ethisch-normativen Diskurses. Darauf wurde bereits im Abschnitt über die Tugend der Klugheit hingewiesen. Nun ist aber, im nachfolgenden Exkurs, noch auf einen weiteren Aspekt der eben behandelten Thematik einzugehen: die Frage der Gewissheit konkreter Handlungsurteile. (Fs)

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