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Autor: Tresmontant, Claude

Buch: Paulus

Titel: Paulus

Stichwort: Der alte und der neue Mensch; Ordnung des Beseelten - Geistigen (pneumatikon); zwei Etappen d. Schöpfung

Kurzinhalt: Erschaffung einer geistigen, geheiligten Menschennatur, in der der Heilige Geist Gottes wohnt und die mit Christus am dreieinigen Leben Gottes teilhat

Textausschnitt: DER ALTE UND DER NEUE MENSCH

47d In einem Kapitel seines ersten Briefes an die Korinther, der von der Auferstehung handelt, weist der heilige Paulus auf den Heilsplan hin, der die Erschaffung des Menschen bestimmte: (Fs)

So steht auch geschrieben (Gen. 2, 7): Es ward der erste Mensch Adam zu einem lebendigen Wesen, der letzte Adam zu einem lebenspendenden Geist. Aber nicht ist zuerst das Geistige, sondern das Sinnliche, dann das Geistige. Der erste Mensch ist aus Erde, ist irdisch, der zweite Mensch aus dem Himmel. (1. Kor. 15,45) (Fs)

48a Paulus stellt in diesem Text die Ordnung des Beseelten, des «Psychischen», der Ordnung des Geistigen gegenüber. Der erste Mensch wurde als «lebendige Seele» erschaffen, wie uns die Genesis sagt. Aber auch die Tiere sind nach der hebräischen Bibel lebendige Seelen. Die Bibel bezeichnet das gesamte Tierreich, die gesamte biologische Ordnung als «das Fleisch». Im Hebräischen werden die Begriffe «jede lebende Seele» oder «alles Fleisch» gleichwertig verwandt, um diese biologische Ordnung der animalischen Welt zu bezeichnen. «Jegliches Fleisch»: das ist die Gesamtheit der Lebewesen, Mensch wie Tier (vgl. Gen. 6,13 und 17; 7,15; Ps. 136, 25); dann aber auch in engerem Sinne die Gesamtheit der Menschen. (Gen. 6,12; Is. 40,6; Jer. 12,12; 25,31; Zach. 2,17) Im biblischen Sinne ist das Fleisch diese biologische Ordnung des Beseelten, Lebendigen und Bewußten. Wenn das Bewußtsein, wie manche Biologen glauben, zugleich auch das Leben einbegreift, ist die Auffassung der Bibel sehr modern: das Biologische ist für sie gleichzeitig auch das Psychologische. (Fs)

49a Paulus stellt dieser zugleich biologischen und psychologischen Ordnung die Ordnung des Geistigen (pneumatikon), wie er sie nennt, entgegen, und er sagt uns, daß diese geistige Weltordnung, die «aus dem Himmel», also übernatürlich ist, im Schöpfungsplan Gottes erst als letzte vorgesehen ist. Sie stellt eine dem Menschen verliehene Vervollkommnung dar, durch die er sein übernatürliches Schicksal erfüllen soll. (Fs) (notabene)

49b Der erste Mensch ist irdisch, er entstammt der Erde. Auf hebräisch heißt Adam einfach Mensch, als Gattungsbezeichnung. Diese erste Menschennatur ist animalisch, sie entstammt der Tierwelt. Die zweite Menschennatur - der zweite Adam - wird vom Himmel kommen, durch eine Verwandlung, die durch die Vermittlung Christi und im Heiligen Geiste ein Werk Gottes ist. (Fs)

49c Es sind also zwei Etappen notwendig, um den Menschen zu vollenden und ihn der Fülle seiner Bestimmung entgegenzuführen, entsprechend dem Text der Genesis, die ihm seine Erschaffung nach dem Bilde und Gleichnis Gottes verheißt. Die erste Etappe setzt die natürliche Schöpfung fort, wie sie durch die Kosmogenese und Biogenese eingeleitet worden ist. Die zweite Etappe überschreitet eine entscheidende Schwelle und geht aus einer natürlichen Ordnung in die übernatürliche Ordnung über: diese besteht in der Erschaffung einer geistigen, geheiligten Menschennatur, in der der Heilige Geist Gottes wohnt und die mit Christus am dreieinigen Leben Gottes teilhat. In Christus wurde die gesamte Schöpfung in die Wege geleitet; in Christus setzt sie sich fort durch die Steigerung des Menschen zum Übernatürlichen und die Heranbildung einer geistigen Menschennatur. In Christus wird sie, sobald der mystische Leib Christi sein vollkommenes Maß und Alter erreicht hat, ihre Fülle erlangen; dann wird Gott alles in allem sein. (Fs) (notabene)

Dieses Werk wird erst durch die Auferstehung vollendet werden, wenn Christus das Reich in die Hände des Vaters zurückgibt. (Fs)

50a Der Mensch muß also ein zweites Mal geboren werden; das ist es, was das Johannesevangelium ausdrücklich lehrt: (Fs)

Ich sage dir, wenn einer nicht von neuem geboren wird, kann er das Königtum Gottes nicht sehen. Nikodemus sagt zu Ihm: Wie kann ein Mensch geboren werden, der ein Greis ist? Kann er denn in den Schoß seiner Mutter nochmals eingehn und geboren werden? Jesus antwortete: Amen, ich sage dir, wenn einer nicht geboren wird aus Wasser und Geist, kann er nicht in das Königtum Gottes eingehen. Das aus dem Fleisch Geborene ist Fleisch, und das aus dem Geist Geborene ist Geist. (Joh. 3,3) (Fs)

50b Das ist auch die Auffassung des Paulus. Der Mensch, der zunächst als biologisches und psychologisches Wesen, das heißt als Fleisch, erschaffen wurde, muß sich durch den Heiligen Geist Gottes und in Christus wandeln, um zu einem geistigen Wesen, das heißt einem für Gott fähigen Wesen zu werden. Wer darum in Christus ist, ist eine neue Schöpfung. (2. Kor. 5, 17) Das Alte ist vorbei, siehe, ein Neues ist geworden (ebda). Christus ist gekommen, um eine neue Menschheit hervorzubringen (Eph. 2,15). An uns ist es, an dieser Wandlung, an dieser Mutation teilzunehmen, und dabei den alten Menschen abzulegen, um zu einem neuen Menschen zu werden: so daß ihr entsprechend eurem früheren Wandel den alten Menschen ablegt, der in seinen trügerischen Begierden zugrunde geht, daß ihr euch dagegen im Geist eures Denkens erneuert und den neuen Menschen anzieht, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Rechtschaffenheit und Heiligkeit. (Eph. 4,22) Ziehet aus den alten Menschen samt seinen Werken. Und ziehet an den neuen Menschen, der zu neuer Erkenntnis gelangt ist, dem Bilde dessen gemäß, der ihn erschaffen1. (Kol. 3,9) (Fs) (notabene)

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