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Autor: Rahner, Karl

Buch: Schriften zur Theologie IV

Titel: ZUR THEOLOGIE DES SYMBOLS

Stichwort: Symbol, Christologie, Inkarnation, Logos; Annahme der menschlichen Natur (Livree), Anthropologie

Kurzinhalt: Der menschgewordene Logos ist das absolute Symbol Gottes in der Welt, das unberbietbar mit dem Symbolisierten erfüllt ist; daß Zeichen und Bezeichnetes eigentlich disparat wären

Textausschnitt: 293a Wenn eine Theologie der Symbolwirklichkeit geschrieben werden sollte, dann müßte selbstverständlich die Christologie als Lehre von der Inkarnation des Logos das zentrale Kapitel darin bilden. Und dieses Kapitel brauchte fast nur eine Exegese des Wortes zu sein: Wer mich sieht, sieht den Vater (Jo 4, 9). Daß der Logos Bild, Ebenbild, Abbild, Repräsentanz, Gegenwart (und zwar mit der ganzen Fülle der Gottheit erfüllte) ist, das braucht hier nicht lange dargelegt zu werden. Ist es aber so, dann ist auch der Satz verständlich: Der menschgewordene Logos ist das absolute Symbol Gottes in der Welt, das unüberbietbar mit dem Symbolisierten erfüllt ist, also nicht nur die Anwesenheit und Offenbarung dessen in der Welt, was Gott in sich selbst ist, sondern auch das ausdrückende Da-sein dessen, was (oder besser: wer) Gott in freier Gnade der Welt gegenüber sein wollte, und zwar so, daß diese Haltung Gottes, weil so ausgedrückt, nicht mehr zurückgenommen werden kann, sondern die endgültige und unüberbietbare ist und bleibt. (Fs) (notabene)

294a Doch muß zu der allgemein bekannten dogmatischen Lehre, die wir hier voraussetzen dürfen, einiges hinzugefügt werden, was (wenn auch nicht denselben theologischen Sicherheitsgrad besitzend) doch notwendig erscheint, um ein wirkliches Verständnis der Inkarnationslehre als einer Symboltheologie zu erzielen. Wenn wir einfach nur sagen: der Logos hat eine menschliche Natur angenommen, und diese definierte Glaubenslehre als adäquate Aussage dessen betrachten, was das Inkarnationsdogma sagen will (obwohl diese Formulierung der hypostatischen Union diesen Anspruch gar nicht erhebt), dann kommt eigentlich der volle Sinn der Symbolwirklichkeit, die die Menschheit des Logos diesem gegenüber darstellt, nicht zur deutlichen Aussprache. Denn wenn diese Menschheit, die angenommen wurde, nur als jene uns bekannte Wirklichkeit betrachtet wird, die wir von uns her kennen, und die nur in einem ganz allgemeinen Sinn "Bild und Gleichnis" Gottes ist, und wenn wir diese Menschheit nur in einem statisch-ontischen Sinn subsistieren, also "getragen" und "angenommen" sein lassen durch den Logos, dann eignet dieser Menschheit dem Logos gegenüber zwar die Funktion eines Signals, einer Livree, aber nicht in voller Wahrheit die Funktion jenes Symbols, dessen Sinn wir bisher entwickelt haben. Der Logos würde sich verlautbaren, vernehmen lassen durch eine an sich ihm fremde, von außen zufällig angenommene, in ihrer inneren Wesenheit nichts mit ihm zu tun habende Wirklichkeit. Der Grad der "Verbundenheit" des Sich-Verlautbarenden und des Verlautbarungsmittels könnte, so radikal er auch gedacht werden mag (eben als eine Hypostatische Union), daran nichts mehr ändern, daß Zeichen und Bezeichnetes eigentlich disparat wären und es sich darum nur um ein arbiträres Zeichen handeln könnte. Oder noch genauer: Die angenommene Menschheit wäre das mit dem Verlautbarenden substantiell verbundene Mittel seiner Verlautbarung, aber noch in keiner Weise diese Verlautbarung selber; sie selbst würde nur etwas -von sich selbst sagen; vom Logos könnte sie nur etwas aussagen, insofern dieser sie zu Worten und Taten benützt, die, von ihm gestaltet und gesteuert, durch ihren Sinn und das Wunderbare daran mehr als bloß Menschliches, also etwas vom Logos selbst verlautbaren würden. Kein Wunder, daß eine Theologie, die diese Voraussetzungen stillschweigend und unreflex, aber wirksam macht, Jesus konkret doch nur durch seine Lehre, nicht aber durch das, was er in seiner menschlichen Natur ist, zur Offenbarung Gottes des Vaters und seines inwendigen Lebens kommen läßt. Höchstens käme in einer solchen Auffassung noch eine Offenbarung durch sein (tugendhaftes) Handeln in Frage. (Fs)

295a Um hier weiterzukommen und um den unausschöpfbaren Inhalt der Glaubensformel von der Menschwerdung des Logos zu einer größeren Verdeutlichung zu bringen, könnte man zunächst anknüpfen an die thomistische Lehre, daß die Menschheit Christi durch das Sein des Logos existiert. Freilich müßte man bei dieser These sich verdeutlichen, daß dieses Sein des Logos auch wieder nicht gedacht werden darf als die Wirklichkeit, die gewissermaßen (bloß wegen ihrer Unendlichkeit) jedwedem denkbaren "Wesen" Dasein verleihen könnte, für jedwede Essenz den in sich dafür indifferenten Boden des Daseins bieten könnte, für den es völlig gleichgültig wäre, was so als daseiend ent-steht. Dieses Sein des Logos (natürlich als das durch Ausgang vom Vater erhaltene) muß als selber sich entäußernd gedacht werden, so daß (unbeschadet seiner Unveränderlichkeit in sich selbst und an sich selbst) es selbst in Wahrheit die Existenz einer geschaffenen Wirklichkeit wird, und dies eben in aller Wahrheit und Wirklichkeit von ihm, diesem Sein des Logos, ausgesagt werden muß, weil es so ist. Dann aber kommen wir von diesen thomistischen Ansatzpunkten zu Überlegungen und Einsichten, die deutlich machen, daß und in welchem radikalen Sinn die Menschheit Christi wirklich die "Erscheinung" des Logos selbst, sein Realsymbol, im eminentesten Sinn ist, und nicht nur das ihm und seiner Wirklichkeit an sich Fremde, das nur wie ein Instrument von außen her angenommen wurde, um sich zu verlautbaren, so daß es selber eigentlich doch nichts von dem es Verwendenden zeigt. Aber eben diese Überlegungen wurden schon in einem früheren Kapitel über das Geheimnis der Inkarnation angestellt. Dort wurde gezeigt, daß die Menschheit Christi eben nicht als Livree und Vermummung Gottes, als Signal bloß, dessen er sich bedient, aufzufassen ist, so daß erst das durch dieses Signal Verlautbarte etwas über den Logos aussagt, sondern als die Selbstverlautbarung des Logos selbst, so daß, wenn Gott, sich selbst aus-sagend, sich selbst ent-äußert, eben gerade das erscheint, was wir die Menschheit des Logos nennen, Anthropologie also selbst ihren letzten Ursprungsort nicht bloß in einer Lehre von den Möglichkeiten eines unendlichen Schöpfers hat (der aber sich doch nicht eigentlich selbst verrät, wenn er schafft), sondern in der Lehre von Gott selbst, insofern darin auch gesagt wird, was " erscheint", wenn er in seiner Selbstentäußerung in das von ihm andere hinein aus sich selbst heraustritt. Aber eben für diese Erwägungen muß auf das frühere Kapitel verwiesen werden. (Fs)

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