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Autor: Rahner, Karl

Buch: Schriften zur Theologie IV

Titel: ZUR THEOLOGIE DES SYMBOLS

Stichwort: Theorie des Symbols: Vollzug eines Seienden als Symbol Voraussetzung für dessen Erkenntnis; eidos - morphe

Kurzinhalt: ens est cognitum et cognoscibile, inquantum ipsum est actu

Textausschnitt: 285b Erst von da aus läßt sich eine allgemeine Theorie des Symbols richtig erreichen, insofern es die Wirklichkeit sein soll, in der ein anderer zur Erkenntnis eines Seienden kommt. Die Erkenntnis eines Seienden durch einen anderen ist ja (streng scholastisch gedacht) nicht der Vorgang, der bloß ein solcher im Erkennenden allein wäre und somit nur von dessen Möglichkeit und dessen Aktualität abhinge und der sich auf einen in seiner eigenen Wirklichkeit völlig unberührt verharrenden "Gegenstand" bezöge. Die Erkennbarkeit und die aktuelle Erkenntnis eines Seienden (als Gegenstandes der Erkenntnis) hängt vielmehr von dem Aktualitätsgrad des zu Erkennenden selbst ab: ens est cognitum et cognoscibile, inquantum ipsum est actu. Daraus aber ergibt sich: wenn das Seiende von sich selbst her symbolisch ist, insofern es sich selbst in seine plurale Aktualität hinein vollzieht, und in dieser herkünftigen Übereinkunft des anderen mit seinem ursprünglichen Ursprung sich selbst hat, dann gilt dies auch für die Erkenntnis dieses Seienden durch einen anderen. Es ist erkennbar und erkannt, insofern es selbst ontisch (an sich), weil ontologisch (für sich), symbolisch ist. Der ursprüngliche Sinn von Symbol und symbolisch, wonach jedes Seiende an sich und für sich und deswegen (und insofern) für einen andern symbolisch ist, besagt also dies: indem ein Seiendes sich in seine eigene innere (wesenskonstitutive) Andersheit, in seine innere und (im Selbstvollzug entschlossen) behaltene Pluralität als in seinen herkünftigen und so übereinstimmenden Ausdruck vollzieht, macht es sich kund. Dieser zur Konstitution des Seienden selbst gehörige, herkünftige und übereinstimmende Ausdruck ist das von dem zu erkennenden Seienden auf das erkennende Seiende selbst (nachträglich nur, weil schon anfänglicher in der Tiefe der beide konstituierenden Seinsgründe) hinkommende Symbol, in dem dieses Seiende erkannt wird und ohne das es überhaupt nicht erkannt werden kann, und so erst das Symbol im ursprünglichen (transzendentalen) Sinn des Wortes. (Fs) (notabene)

286a Der so erreichte Begriff des Symbols ist nun noch mit einigen in der scholastischen Philosophie bekannten Sachverhalten zu konfrontieren, um auf diese Weise sein Verständnis noch zu erleichtern. Es würde ein zu großer Gang durch die Geschichte der Philosophie erforderlich sein, wollte mal das Gesagte erläutern mit einer Darlegung der Spannweite der Begriffe eidos und morphe (in der philosophia perennis seit den Griechen bis in die klassisch scholastische Philosophie). Wäre ein solcher Gang hier möglich, so könnte gezeigt werden, daß die beiden äußersten Punkte dieser Spannweite, nämlich erscheinende, anblickbare "Gestalt" (eidos und morphe zusammengenommen) einerseits und gestaltbildendes "Wesen" anderseits, echt die Sinnfülle eines Begriffes zusammenschließen, weil eben der gestaltbildende Wesensgrund eines (zunächst materiellen) Seienden wirklich, um sich selbst zu setzen und zu vollziehen, die anblickbare Gestalt als sein - Symbol, seine (ihn selbst da-sein lassende, in die Ek-sistenz bringende) Erscheinung aus sich heraussetzt und gerade so ("Im-Andern-Beisich") behält. Dieser Wesensgrund ist gerade durch seine Erscheinung für sich selbst und für andere da (in dem "analogen" Maße freilich, in dem je nach seinem Seinsmaß ein Seiendes überhaupt für sich und für andere gegeben ist). (Fs) (notabene)

287a Für eine tiefere Kenntnis der thomistischen Ontologie ergibt sich, daß Thomas1 in den verschiedensten Formen einen "Selbstvollzug" eines Seienden kennt, der nicht auf den Nenner einer transeunt-effizienten Kausalität gebracht werden kann. Schon der Begriff der causa formalis gehört hierher. Die "Form" gibt sich mitteilend an die Materialursache weg, sie wirkt nicht " von außen" und nachträglich auf sie ein, indem sie ein (wesensfremd) anderes von sich in ihr bewirkte, sondern der "Effekt" ist das "Wirkende" selbst, insofern es selbst die Wirklichkeit, der "Akt" der Materialursache als ihrer eigenen " Potenz " werdend, ist. Insofern die Formalursache dies aber ist, ist sie doch nicht einfach dasselbe, als was sie gedacht werden muß im voraus zu ihrer aktuellen Formursächlichkeit. Es gibt ja nach Thomas solche "Formen", die sich nicht in ihrer Formalursächlichkeit erschöpfen, weil sie nicht ganz "ausgegossen" sind über ihre Materie; ihre Ursprünglichkeit ist also noch "vorbehalten". Nicht jede Form also vollzieht ihr Sein so, daß und indem sie, sich völlig entäußernd, sich wegbegibt als Akt des sie verzehrend anderen (der "materia prima"), so daß der Unterschied zwischen der Form und ihrer aktuellen Formalursächlichkeit kein schlechthin bloß gedachter sein kann, sowenig dieser Unterschied auch gedacht werden kann wie der zwischen einer (ihren "Form"-gründen schon entsprungenen) statisch gedachten Substanz und ihrem akzidentell "zweiten " Akt. Das Formgeben des Formgrundes, die "formatio actualis" der Potenz durch die (substantielle) Form, "bewirkt" das Geformte, die Gestalt (wobei es uns hier noch nicht auf die vielfältige Vermittlung dieses Vorgangs ankommt in der Unterscheidung zwischen der Dimension der Substanz selbst und des formal quantitativ Raumzeitlichen). Diese Gestalt als Erscheinung des substantiellen Grundes, der forma, ist einerseits (nach den eben angedeuteten Grundlehren der Scholastik) von der forma als solcher verschieden, zeigt aber in dieser Verschiedenheit dennoch diesen Formgrund, ist sein Symbol, das vom Symbolisierten als sein eigener Wesensvollzug gebildet wird, und zwar so, daß in diesem unterschiedenen "Symbol" das Symbolisierte, die forma selbst (in der analogen Weise der Seinsmächtigkeit die "ontologisch-symbolische Differenz" von Realsymbol und Vertretungssymbol bildend) anwesend ist, da sie ja das von ihr andere Gestaltete setzt, indem und sofern sie selbst ihre eigene Wirklichkeit an es mitteilt. (Fs) (notabene)

288a In den Bereich eines kundmachenden und so (im weitesten, aber ursprünglichen Sinn) Symbol setzenden Selbstvollzugs gehören aber über den Begriff der Formalursächlichkeit hinaus noch andere Begriffe der thomistischen Ontologie. So ist hier der Begriff der "Resultanz" zu erwähnen. Thomas kennt ja ein endliches Seiendes nicht nur als einfach fertige, in ihrem Wesen und ihren Fähigkeiten von Gott konstituierte Wirklichkeit, die als solche statisch-passive Wirklichkeit dann ihre einzelnen akzidentellen, von der Substanz effizient-kausal zwar getragenen und insofern diese selbst "bestimmenden", aber sie in ihrer inneren Natur doch unberührt lassenden Akte (transeunter oder immanenter Art) setzt, sondern er weiß von einem inneren Selbstvollzug (natürlich unter der schöpferischen Wirkmacht Gottes) des totalen Wesens selbst im voraus zu seinen akzidentellen "zweiten" Tätigkeiten, von einem Selbstvollzug, der sachlich und begrifflich bei Thomas nicht einfach auf die formalmateriale Kausalität zurückgeführt werden kann, so wie wir diese gewöhnlich in der traditionellen Schulphilosophie kennen, und noch weniger unter die Kategorie der üblichen (zweiten) "Tätigkeit" subsumiert werden kann. Thomas kennt so z. B. eine Resultanz, ein "Erfließen" der Fähigkeiten aus dem Substanzgrund. Er kennt also einen Selbstaufbau des totalen Wesens (zu dem ja auch die Fähigkeiten gehören unbeschadet ihres Akzidenzseins); der substantielle Grund geht aus in seine Fähigkeiten und kommt so erst eigentlich zu seiner eigenen Möglichkeit; er findet sich selbst (denn er selbst muß ja z. B. geistig usw. sein), indem er das "Andere" seiner Fähigkeit (die ja nach Thomas real vom substantiellen Grund verschieden ist) aus sich heraussetzt. Mit dieser Setzung des anderen in Resultanz innerhalb der Einheit desselben Seienden, durch die das Wesen erst vollendet gegeben ist, ist zwar noch nicht ohne weiteres ein inneres und konnaturales Symbol als zum Seienden gehörendes Moment seines Selbstvollzugs gegeben (bzw. soll der Gedanke hier nicht in diese Richtung weiterverfolgt werden), aber, was hier genügt, aus der Theorie des Entsprungs und der Resultanz einer Fähigkeit, eines Vermögens, eines Akzidenz ist doch nachgewiesen, daß der Ansatzpunkt für unsere vorgetragene Theorie des Symbols durchaus thomistisch ist. Und das genügt hier. Nur in einer bestimmten Richtung sei das eben Gesagte weitergeführt: Die Resultanz ist nach Thomas auch als gegeben anzusetzen bei der Bildung der bestimmten Quantität als solcher (von räumlich abgegrenzten Dimensionen) und als des Trägers anderer qualitativer Eigenschaften in einem materiellen Seienden. Indem die substantielle "Form" ("ausgegossen werdend") sich weggibt an die materia prima als den ontologischen (von sich noch ohne bestimmte Dimensionen seienden) Grund der Raumzeitlichkeit, wird in dieser Mitteilung auch die bestimmte Quantität erwirkt als real von der Substanz (aus forma substantialis und materia prima) verschiedene und ihr doch entspringende Wirklichkeit. Diese Quantität (heute würden wir das Gemeinte abgesetzte, konkrete Raumzeitlichkeit oder raumzeitliche Gestalt nennen) mit ihren bestimmten qualitativen (aber auf dieser Raumzeitlichkeit basierenden) weiteren Bestimmungen ist nun aber nach Thomas eindeutig aufzufassen als die "species"2, die Gestalthaftigkeit, der Anblick, den der substantielle Grund sich erwirkt, um sich selbst zu vollziehen, sich so "auszudrücken" und anzuzeigen. Die "species" der materiellen Dinge ist unzweifelhaft das vom Wesensgrund her erwirkte, in der unterschiedenen Einheit mit dem Wirkgrund behaltene, die notwendige "Vermittlung" des Selbstvollzugs seiende "Symbol", in dem sich das materielle Seiende hat und sich anzeigend (in der Variationsbreite seines Wesens) darbietet. Im Fall der species der materiellen Dinge haben wir (auf dieser bestimmten Seinsebene und den damit gegebenen Voraussetzungen) bei Thomas wirklich alle Elemente, die wir in einer allgemeineren Ontologie des pluralen Seienden für den ursprünglichen Begriff des Symbols entwickelt haben: die Bildung des Symbols als eines Selbstvollzugs des Symbolisierten selbst, die innere Zugehörigkeit des Symbols zum Ausgedrückten selbst, die Selbstverwirklichung durch die Bildung dieses wesensentspringenden Ausdrucks. Auf eine andere Lehre, auf die zur Bekräftigung des gewonnenen Symbolbegriffs aus der Scholastik hingewiesen werden kann, kommen wir ausführlicher in einem anderen Zusammenhang zurück: auf die Lehre von der Seele als "forma" des Leibes und des Leibes als Ausdruck der geistigen Grundwirklichkeit des Menschen. (Fs) (notabene)

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