Datenbank/Lektüre


Autor: Thomas, Aquin von

Buch: Die sittliche Weltordnung

Titel: Die sittliche Weltordnung

Stichwort: Omne agens agit propter bonum; Kant, Pragmatismus; 2 Betrachtungen von Seiend: wahr, gut;

Kurzinhalt: Kant sah zwischen Sein und Gut keinen ursprünglichen Zusammenhang; verschiedene Grad von wahr und gut; metaphysische Gutheit als Grundlage der psychologischen; Ziel d. Ethik: Verähnlichung mit Gott

Textausschnitt: 1/E3 Omne agens agit propter bonum. Alles Tätige ist tätig wegen Gut. Dieser Satz gilt in der Ausdehnung auf die natürliche und die sittliche Welt. Zu seiner tieferen Erfassung ist es notwendig, auf andere Grundsätze der Seinslehre zurückzugreifen. (51; Fs)
()
3/E3 Die Antwort auf diese Frage ist in der Geschichte des Denkens nicht einhellig ausgefallen. Platon glaubte, Gut sei die allgemeinste aller (selbständig wesenden) Ideen, ohne die kein Ding gut sein könnte; Kant sah zwischen Sein und Gut keinen ursprünglichen Zusammenhang, so daß er auch die verpflichtende Natur der sittlichen Ordnung nicht weiter zu begründen und von nichts anderem abzuleiten vermochte; in der modernen Wertauffassung ist die vermeinte Unabhängigkeit der "Werte" vom Sein und von der Wahrheitserkenntnis - weiß Gott, sie stammen aus unerklärlichem Gefühl, aus unserm Willen von dieser und jener Art und Richtung, aus physischen und geschichtlichen Bedingungen - in den Pragmatismus ausgeschlagen, der das Denken unserm Wünschen und Wollen unterwirft und Wert und Gut in wechselndem Spiel von den Dingen und Handlungen aussagt, die den je und je verfolgten Zwecken, den Bedürfnissen des Augenblicks und der Gelegenheit, kurz dem "Leben" oder der "Praxis'' dienen. (51f; Fs)

4/E3 Anders die Antwort bei Thomas. Allerdings, sagt er, sprechen wir von Seiend und von Gut bei einem Ding unter verschiedenem Gesichtspunkt. Das eine Mal stellen wir als Erkennende sein Dasein, sein Sosein oder seine Wirklichkeit fest - wir nehmen die Beziehung der Wahrheit ein; das andere Mal berührt und bewegt uns das Ding als ein Begehrbares, es ist Gegenstand unseres Gutheißens, unseres Verlangens, der Liebe und Freude - wir finden uns in der Beziehung der Gutheit. Aber warum ist etwas solcherart bewegend und erstrebenswert? Der Grund liegt im Ding, in seiner Wirklichkeit, Vollkommenheit und Seinsfülle. Soweit es seiend ist, seinen wesensmäßigen Seinsgrad erfüllt, ist es gut, ein perfectum, und teilt sich als ein Gut mit, indem es auf den Empfangenden als ein perfectivum wirkt, auf welche Weise immer ihn bereichernd, beglückend, erhöhend. "Daher sind deutlich Gut und Seiend ein und dasselbe dem Ding nach, aber Gut besagt die Beziehung von Begehrbar, welche Seiend nicht besagt ." () Mit andern Worten, wie die Gleichung Seiend = Wahr gilt, so auch die Gleichung Seiend = Gut. Das Sein einer vollkommenen Rose ist wahr durch die Übereinstimmung mit ihrer Wesensnatur oder mit der Gestaltnis in Gottes schöpferischem Gedanken, sie ist als Erkannt-Seiendes Gegenstand der Wahrheit im Sinne der Beziehung zwischen Ding und Verstand, sie ist gut bei sich als seiendes, d. h. als seine Seinsform erfüllendes Ding, und sie ist Wert und Gut in Beziehung auf einen Menschen, der ihrer sich freut. Jene metaphysische oder objektive Gutheit ist der Grund der psychologischen oder subjektiven (wobei denn schon Fehlschätzung durch unser praktisches Urteil ins Spiel kommen kann). (52f; Fs)
()
7/E3 Solange wir uns in der Ordnung des Geschöpflichen bewegen, wo Ding neben Ding, Gut und Wert neben Gut und Wert oder auch in der Stufung des Oben und Unten, des Mehr und Weniger an Seinsgehalt erscheinen, ist die Gestücktheit des Seins auch der Grund, daß Zweck und Gut nur im Sinne der Relativität in Rede stehen. Deshalb gerade erhebt sich die Frage nach der Absolutheit, dem höchsten Zweck als dem höchsten Gut und umgekehrt. Man kann sie von zwei Seiten her, von der Verfassung des dinglichen Seins und vom Verlangen des Menschen (desiderium hominis) ins Auge fassen: Auf dem einen wie dem andern Weg gelangt Thomas zu seiner Antwort. Von den Dingen her kommt die Auskunft, daß die Kreatur, auch die vollkommene, weder kraft ihrer selbst ist, noch als diese oder jene geprägte, gegrenzte, mit bestimmtem Seinsmaß versehene Form alles Sein in sich sammelt, also auch nicht das absolute und nicht das universale Gut sein kann. Vom Menschen her aber kommt der Bescheid, daß ebenso, wie sein Geist auf das allenthaltende Wahr (universale verum), so auch sein strebender Wille auf das allenthaltende Gut (bonum universale) gerichtet ist . So weist ihn gerade der Zug zur Vollendung, den er mit allen Wesen teilt, über sich und alle Welthabe hinaus auf die Erstursache und den Endzweck Gott als höchstes Gut. Danach ergibt sich folgerecht die Bestimmung des Menschen als die Verähnlichung mit Gott, welchen Sinn und Inhalt der sittlichen Bewegung die Ethik ins Einzelne darzulegen hat. (Daß sie auf dem bezeichneten Boden nicht eine rein formale ist, wie die kantische, die das Wesen des Guten in der reinen, zweckfreien Gesetzlichkeit als solcher sieht, vielmehr eine materiale, an die Objektivität von Ding und Wert gebundene, ist bereits deutlich geworden.) (53f; Fs)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt