Datenbank/Lektüre


Autor: Thomas, Aquin von

Buch: Über die Herrschaft der Fürsten

Titel: Über die Herrschaft der Fürsten

Stichwort: Ursprung der Gesellschaft; Gesellschaft nicht als Addition individueller Grundrechte; Herrschaft - Freiheit

Kurzinhalt: Die Gesellschaft kann nicht als Assoziation funktional gleicher Individuen bestehen; emanzipatorische Gesellschaftsmodelle beruhen auf einem Utopismus

Textausschnitt: Hier kommt es zunächst nur auf die Erkenntnis an, daß der Ursprung der Gesellschaft nicht in einem fundamentalen, auf die Gewalt der Herrschenden zurückgehenden Antagonismus oder im beliebigen Willensentschluß der Bürger, sondern im naturgesetzlich wirkenden Wesen des Menschen zu finden ist. (80f; Fs)

15/N Es folgt die Frage nach dem Grund der Herrschaft. Die Gesellschaft kann nach Thomas nicht als Assoziation funktional gleicher, »souveräner« Individuen bestehen, da diese naturgemäß nur für sich und nicht ohne weiteres für das Wohl des Abstraktums »Gesellschaft« sorgen. Es muß eine besondere Kraft geben, deren einzige Aufgabe es ist, aus der Vielheit eine Einheit zu machen, die Gesellschaft als ganze auf das ihr entsprechende Wohl als Voraussetzung des Wohls der einzelnen und der Gruppen (für Thomas noch: Stände) hinzulenken und dadurch die Gesellschaft gewissermaßen erst zu konstituieren - ein universales ontologisches Prinzip, das Thomas in den verschiedensten Seinsbereichen feststellt. Emanzipatorische, herrschaftsfreie Gesellschaftsmodelle beruhen danach, so können wir schließen, auf einem utopischen Optimismus, der die Existenz der Gesellschaft in Frage stellt und damit auch die Existenz der Individuen samt ihrer nur durch gesellschaftliche Ordnung verbürgbaren Freiheit. Eben; so stellt sich die politische Ordnung der Gesellschaft nicht schon durch Addition individueller Grundrechte oder Ausgleich organisierter Interessen von selbst her. Politische Herrschaft ist vielmehr zugleich mit, der Gesellschaft notwendig gesetzt, ohne daß damit die Freiheit in der Gesellschaft aufgehoben würde: Herrschaft und Freiheit sind keine Gegensätze, im Gegenteil: politische Herrschaft im Unterschied zur Despotie muß der Natur des Gemeinwesens als Gemeinschaft von Freien entsprechen. Herrschaft ist ganz allgemein nur insofern rechtens und gut, als sie durch den ihr vorgegebenen Zweck - Verfolgung des Gemeinwohls im Unterschied zum Eigeninteresse des Herrschers oder bestimmter Gruppen - rechtlich präzise begrenzt ist. Aus dieser teleologischen Ausrichtung der Herrschaft folgt u. a., daß König nicht schon jeder ist, der auf dem Thron sitzt (das kann auch ein Tyrann sein), sondern nur, »wer das Volk ... des Gemeinwohls wegen lenkt« (1, 1). (8f; Fs)

____________________________

Home Sitemap Lonergan/Literatur Grundkurs/Philosophie Artikel/Texte Datenbank/Lektüre Links/Aktuell/Galerie Impressum/Kontakt